Wotan II - Eichers Wunderwaffe
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Neben diesem Highlight hatten die Bayern ihr Spitzenprodukt schon vor über 40 Jahren mir einer derartigen Anzahl technischer Ausstattungen versehen, dass es im Prinzip kaum Wünsche an einen modernen Schlepper offen lassen würde. Die ZF-Lenkpendelachse mit Planetenuntersetzung im Radantrieb ermöglicht es, den Vorderradantrieb durch eine Lamellenkupplung unter Last während der Fahrt zuzuschalten.
In Verbindung mit der hohen Verschränkung der Achse und der großen Bodenfreiheit ergibt sich eine Geländegängigkeit, die sich sehen lassen kann – und die Georg Gösmann auch immer wieder gerne zeigt, wenn er seinem Wotan freien Lauf lässt. In Verbindung mit der ebenfalls von ZF stammenden hydrostatischen Lenkung lässt sich der Eicher auch unter schwierigen Bedingungen nahezu mit Fingerkraft dirigieren.
Besonders angenehm hinsichtlich der Wartungsfreundlichkeit ist ein einziger zentraler Ölkreislauf für die Versorgung von Schaltgetriebe, Allradantrieb, Hydraulik, Differenzial und der Lenkung. Hierzu reicht eine vergleichsweise kleine Füllmenge von 42 Litern – zuzüglich je acht Litern in den hinteren Achstrichtern und geringer Mengen in der Vorderachse. Nachteilig daran ist allerdings, dass minderwertiges oder verunreinigtes Öl aus externen Hydraulik-Verbrauchern ins Getriebe gelangen kann.
Der ebenfalls bei ZF zugekaufte Kraftheber KR 25, der auch in etlichen anderen deutschen Großschleppern verbaut wurde (beispielsweise Deutz, Fendt und der in TC 2/2012 vorgestellte Schlüter Super 1250 V), ist beim Wotan II auf eine Hubkraft an der Ackerschiene von gut 3,5 Tonnen ausgelegt. Serienmäßig war er mit Oberlenkerregelung, auf Wunsch mit Unterlenkerregelung ausgestattet. Die eigene Pumpe für den Regelhydraulikblock wird fahrunabhängig vom Getriebe angetrieben und erreicht bei einem Arbeitsdruck von 175 bar eine maximale Förderleistung von 40 Litern in der Minute. Die großzügige Auslegung ermöglicht den zusätzlichen Betrieb von Frontlader und Mähwerk.
Der Sechszylinder bewährte sich
Wie sehr sich das Konzept der Sechszylinder-Großschlepper aus Forstern bewährte, zeigte sich in der weiteren Modellentwicklung. Die Standardschlepper bis 75 PS wurden infolge der Übernahme von Eicher durch Massey-Ferguson 1973/74 von den luftgekühlten EDK- auf wassergekühlte Perkins-Motoren umgestellt. Schmalspur- und Großschlepper überdauerten diesen Wechsel hingegen. So wurde der Wotan II Allrad (Typ 3014) bis 1976 hergestellt. (Hinterradausführung und Wotan I waren schon 1971/72 ausgelaufen.)
Damit waren aber weder das Entwicklungspotential noch die Bauzeit der gebläsegekühlten Sechszylinder abgeschlossen. Für das ab Anfang 1977 erhältliche Spitzenmodell 3133 wurde der EDK 6 mit einem Turbolader versehen und leistete 133 PS. Anfang der 80er-Jahre wurde die Maschine sogar noch zum EDL 6 weiterentwickelt. Bei gleichem Hubraum wurde die Bezeichnung nur gewählt, weil das L schlicht im Alphabet nach dem K kommt. Die Änderungen betrafen beispielsweise die Einführung einer hydraulischen Ventilspieleinstellung.
Das endgültige Aus der Serie kam 1990. Die letzten Maschinen des EDL 6 Turbo brachten es auf maximal 145 PS Nennleistung. In den 22 Jahren Bauzeit waren insgesamt fast 4.000 Sechszylinder-Schlepper verkauft worden. An den Erfolg des allradgetriebenen 95/100-PS-Wotan II / 3014 A konnte kein weiteres Modell auch nur annähernd heranreichen. Der Name der germanischen Gottheit wurde dem Schlepper 1977 sang- und klanglos wieder genommen.
Für die regelmäßigen Leser der Traktor Classic bietet sich übrigens ein Vergleich an. Der filigrane Eindruck des Eicher Wotan II ist keine optische Täuschung. Mit dem Radstand liegt er zwar am oberen Ende der Reihe seiner damaligen Konkurrenten, mit der Höhe jedoch am unteren. Schauen Sie in den anderen Ausgaben doch einfach mal nach.
Von Bodo Wistinghausen
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