Wotan II - Eichers Wunderwaffe

Seiten

Die Grenzen des Fahrwerks
Heute muss der Wotan nicht mehr arbeiten, doch sein Meister fährt mit ihm regelmäßig zu Treffen in der Region. Da weiß Georg Gösmann seinen blauen Riesen zu schätzen. Die Beschleunigung ist fulminant, und die Übersichtlichkeit lässt den Fahrer oft vermuten, auf einem deutlich kleinerem Schlepper zu sitzen. Dennoch kennt der Südwestfale auch die Grenzen des Fahrwerks. „Die Allrad-Vorderachse von ZF gab es nur ungefedert, das war damals technisch noch nicht anders möglich. In Verbindung mit der ackertauglichen Bereifung fängt der Eicher bei schneller Fahrt an zu tanzen.“

Der sich aufschaukelnde Effekt kann dazu führen, dass das komplette Fahrzeug ins Schwimmen kommt und Gegenlenkbewegungen erforderlich macht. Da ist ein wenig Übung erforderlich, die besonders dann gefragt ist, wenn der Wotan schneller läuft als die serienmäßigen knapp 30 Kilometer pro Stunde. Der 59-Jährige weiß: „Eine leichte Drehzahlerhöhung – und sei es nur um 100 Umdrehungen pro Minute – kann die Maschine gut vertragen. Damit steigt das Spitzentempo um etwa 1,5, mit 38- statt 34-Zoll-Bereifung noch einmal um gut zwei Kilometer pro Stunde.“

Die Bayern hatten ihrem Sechszylinder einiges angedeihen lassen, um die Drehzahlfestigkeit sicher zu stellen. So hat die mächtige Maschine eine ­siebenfach gelagerte Kurbelwelle mit Schwingungsdämpfer. Eine Druckumlaufschmierung versorgt die beweglichen Teile mit Öl. Eicher wusste um die Qualität seiner Motoren und gab natürlich auch für sein Spitzenprodukt eine zweijährige Motorengarantie ohne Betriebsstundenbegrenzung.

Bremsen und Getriebe
Für die hohen Geschwindigkeiten sind besonders bei einem schweren Schlepper wirkungsvolle Bremsen wichtig, und der Eicher ist auch hier gut ausgestattet. Auch wenn die Kraft – wie bei Schleppern seinerzeit noch üblich – ausschließlich auf die Hinterräder zugriff, hatte der Wotan eine gut dosierbare und im Bedarfsfall kräftig zupackende Trommelbremse mit hydraulischer Unterstützung. Das ZF-T-335/II-Getriebe war aus gutem Grund bei den Schlepperherstellern (zum Beispiel Deutz D 9006/10006, siehe TC 1/2012) ausgesprochen beliebt.

Es stellt sechs Gänge nebst Feinstufen- und Wendeschaltung zur Verfügung. Inklusive der einst optionalen Kriech- oder Superkriechganggruppe sind nicht weniger als 20 Vorwärts- und 9 Rückwärtsgänge abrufbar. Wichtig für den Hobbytraktoristen aus Anröchte ist aber zuallererst, dass die oberen vier der sechs Gänge synchronisiert sind, nur die ersten beiden sind bolzengeschaltet. Weil auch die Gruppe synchronisiert ist, kann auf der Straße ohne Zwischengas gefahren werden. Leider musste Eicher mit Einführung der Getriebeserie T-300 die Schaltung wieder auf die Mittelposition verlegen.

Zapfwelle mit Doppelkupplung
Die bequemere Seitenschaltung, mit der Eicher bei anderen Modellen geworben hatte, war konstruktionsbedingt leider nicht mehr realisierbar. Dafür gab es beim Wotan eine besondere Art der Doppelkupplung für den Einsatz der Zapfwelle. Sie konnte unter Last durch einen an der linken Seite angebrachten Hebel bedient werden, vollkommen unabhängig vom Kupplungspedal. Die beiden Standarddrehzahlen (612 und 1.023 Umdrehungen pro Minute) konnten über einen Vorwahlhebel gewechselt werden.

In Forstern bewarb man den Bedienkomfort der Zapfwellenhandkupplung  im Werbeprospekt folgendermaßen: „Eine derartige technische Lösung ist naturgemäß teurer, bringt aber für jegliche Zapfwellenarbeit, insbesondere mit Vollerntemaschinen und Spezialgeräten, solch große Vorteile mit sich, dass sie für ein Spitzenprodukt wie den EICHER Wotan einen selbstverständlichen Ausrüstungsstandard darstellt.“

Seiten

Eichers Wotan II - Fotos: B. Wistinghausen
Weitere Themen aus dieser Rubrik

Braunes Ackergold

Alte Landtechnik im praktischen Einsatz, das lässt das Herz eines Traktor-Enthusiasten höher schlagen! Diesmal sind wir bei einer typischen Frühjahrsarbeit des Bauern... mehr >

Star der ersten Stunde

Ein Allgaier System Porsche AP 17 ist ja an sich schon etwas Besonderes. Dieses Exemplar jedoch trägt ein zusätzliches Sahnehäubchen: Es lief am ersten Tag der... mehr >

Schön, blau und stark

Ein Vierzylindermotor eigener Konstruktion und der ZF-Getriebebaukasten machten es möglich: Anfang 1964 krönte der 60 PS starke EA 600 – besser bekannt als „Mammut... mehr >

Mehr zum Thema