Chronik 1949 - Teil 6
Mit dem S 11 konnte Otto Martin nicht an die Erfolge früherer Konstruktionen anknüpfen
In der Sowjetischen Besatzungszone fanden sich nur wenige – noch dazu unter Demontagen leidende – Schlepperfabriken. 1949 konnten jedoch endlich die ersten Früchte eifriger Aufbau- und Entwicklungsarbeit präsentiert werden. Auch in Westdeutschland war man nicht untätig.
Pionierleistung
Er war eine Weiterentwicklung des seit 1936 gebauten FAMO-Radschleppers und eignete sich mit seinem 40 PS starken Vierzylinder-Dieselmotor auch für die bald bevorzugte Großflächenbewirtschaftung. 1950 wurde die Fertigung ins Werk Nordhausen verlegt, das schon seit Juni 1949 den RS 02 »Brockenhexe« baute. Unter der rundlichen, auf ehemaligen O&K-Preßwerkzeugen geformten Verkleidung verbargen sich der Deutz-Dieselmotor F2M414 mit 22 PS und das ZF-Getriebe A-12.
Der teure Einkauf der Komponenten ließ sich durch Lizenzfertigungen umgehen, doch war die »Brockenhexe« für die meisten DDR-Betriebe zu schwach. Auch der in Brandenburg an der Havel gebaute RS 03 »Aktivist« konnte mit dem auf einer O&K-Entwicklung fußenden V2-Dieselmotor und dem Prometheus-Vierganggetriebe nur bescheidene Leistungsansprüche erfüllen.
Aktivisten für die MAS
Da er auf einem Holzgasschlepper-Projekt basierte, geriete er ohne Gasgenerator über der Vorderachse zudem stark hecklastig. In allen drei Werken lief die Produktion langsam an, doch bis zum Ende des Jahres konnten immerhin einige 100 Schlepper an die seit März 1949 gegründeten Maschinen-Ausleihstationen (MAS) geliefert werden. Rechtzeitig vor den politisch wichtigen Maidemonstrationen hatte zudem die russische Besatzungsmacht der Landwirtschaft mit einer Lieferung von 1.000 Schleppern geholfen.
Ein russischer Farmall
Davon entfielen 506 Einheiten auf den Radschlepper »Universal-2« (U-2), einen Lizenzbau des amerikanischen Farmall. Dazu gesellten sich 246 Raupenschlepper des Typs KD-35 mit 35 PS und 248 »Nati«-Raupen mit 50 PS.
Im westlichen Teil Deutschlands hatte sich die monatliche Produktion inzwischen bei rund 1.500 Schleppern eingependelt. In der Ruhe vor dem Sturm der kommenden DLG-Ausstellung verdienen vor allem kleinere Hersteller die Betrachtung.
Gutbrod-Geräteträger
Die im württembergischen Plochingen ansässige Gutbrod Motorenbau GmbH plante als Ergänzung zu ihren bekannten Kleintransportern den Einstieg ins Automobilgeschäft und bereitete zudem im Werk Bübingen/Saarland die Landtechnikfertigung vor. Der Gutbrod Farmax griff die noch junge Geräteträger-Idee auf. Mit einer Ladepritsche taugte er als Transportfahrzeug und erlaubte dank eines Rahmens den Anbau diverser Arbeitsgeräte.
Für den Antrieb sorgten wahlweise der auch in den Kleinwagen des Hauses verwendete Zweizylinder-Zweitakt-Ottomotor 2Z60 oder ein Einzylinder-Dieselmotor des Herstellers Farymann. Das von der Firma Getrag bezogene Getriebe DK3D begnügte sich mit drei Vorwärtsgängen. Nicht zuletzt die etwas knapp dimensionierte Antriebseinheit stand einem größeren Erfolg der interessanten Konstruktion im Weg.
Martin S 11 und Klauder »Büffel«
Zahlreiche findige Konstrukteure tummelten sich im Allgäu. Otto Martin in Ottobeuren war bereits seit 1936 im Geschäft und hatte es vor allem durch die Zusammenarbeit mit Fendt beim Bau eines 22-PS-Schleppers in Blockbauweise zu Bekanntheit gebracht. Im Vergleich dazu mutet das in Rahmenbauweise ausgeführte Nachkriegsmodell S 11 altmodisch an. Ein liegender Deutz-Motor gab seine Kraft an das – übrigens auch im Schleppertriebwerk A-12 verwendete – ZF-Vierganggetriebe K-30-D ab. Nennenswerte Akzente konnte dieser Schlepper nicht setzen und wurde bis 1950 in nur 67 Exemplaren verkauft.
Nach ähnlichem Muster und mit dem gleichen Getriebe war der »Büffel« von Wilhelm Klauder in Maria Thann aufgebaut. Der liegende Hatz-Dieselmotor verbarg sich unter einer recht glattflächigen Motorhaube, die dem Schlepper ein moderneres Aussehen verlieh. Nennenswerte Verkaufserfolge blieben dennoch aus. Nur etwa zehn Kilometer entfernt, in Eisenharz-Argenbühl brütete Anton Kulmus seit mehr als zwei Jahrzehnten über der Motorisierung der Landtechnik.
Kulmus KDE 22
Viele Konstruktionen erreichten nur regionale Verbreitung oder blieben gar – wie der einrädrige »Zugbock« – im Versuchsstadium stecken. Beinahe legendär ist das 1935 vom damaligen Direktor des Berliner Instituts für Landmaschinenkunde, Prof. Dr.-Ing. Carl Heinrich Dencker an Kulmus gerichtete Lob: »Machen Sie so weiter, Ihre Arbeit gefällt und ist gut.«
Der 20-PS-Schlepper KD 20 hatte ab 1937 tatsächlich erste Erfolge gefeiert, doch war die Entwicklung durch den Krieg gebremst worden. Seit etwa 1947 bot Kulmus den in Blockbauweise ausgeführten KDE 22 mit dem Deutz-Zweizylindermotor F2M414 und dem ZF-Triebwerk A-12 an. Er sah die Zukunft seines kleinen Betriebs jedoch nicht im Schlepperbau und fertigte nur einige wenige Exemplare auf Kundenwunsch, um sich fortan als Reparaturwerkstatt und Händler für andere Marken wie Primus, Deutz und Fendt zu betätigen.
Von Anhängern zu Schleppern
Die der Landwirtschaft bislang durch den Anhängerbau verbundene Firma Fritz Weigold in Mannheim plante ebenfalls den Einstieg ins Schleppergeschäft. Der kleinere Typ A bzw. WKD24Z mit MWM-Zweizylindermotor und Renk-Viergangetriebe verschwand schon nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche. Ob der größere Typ B bzw. WKD36D mit MWM-Dreizylinder und ZF-Fünfganggetriebe überhaupt gebaut wurde, ist fraglich.
Text: Klaus Tietgens Fotos: J. Welkerling, Archiv K. Tietgens