Chronik 1948 - Teil 3
Die Firma Krümpel in Wettringen baute insgesamt nur etwas über 70 Schlepper.
Ungeachtet einer allgemeinen Aufbruchstimmung wurde der Alltag der meisten Hersteller noch immer direkt von den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs bestimmt. Nicht wenige Firmen waren nach wie vor mit Aufräum- und Instandsetzungsarbeiten oder gar der Suche nach neuen Produktionsstätten beschäftigt.
Normag: Standort gesucht
Recht erfolgreich agierte dabei der traditionsreiche Hersteller Normag, der eine besonders wechselvolle Entwicklung hinter sich hatte. Nach Kriegsende war der Produktionsstandort Nordhausen zunächst von den Amerikanern eingenommen, letztendlich aber der Sowjetischen Besatzungszone zugesprochen worden. Daraufhin war der ehemalige Eigentümer Dr. Glinz in das circa 15 Kilometer nordwestlich in der britischen Zone gelegene Zorge abgewandert und hatte dort mit zahlreichen alten Mitarbeitern die Normag-Zorge GmbH gegründet.
Bereits 1946 waren die ersten Schlepper des Typs NG 23 produziert worden, doch erwies sich die Lage des Werks verkehrstechnisch als ungünstig, so dass Dr. Glinz sich nach alternativen Produktionsstandorten umsah. Anfang 1947 konnte man schließlich eine Halle der Ruhrtaler Nietenfabrik in Hattingen beziehen und Mitte 1948 deren restliche Fabrikgebäude übernehmen.
Mittlerweile war auch die technische Entwicklung vorangeschritten. Der NG 23 hatte ungeachtet des arg improvisiert wirkenden Erscheinungsbildes mit komplett unverkleidetem Motor bereits einige interessante technische Details vorzuweisen. Der Motor und das ursprünglich für Holzgasschlepper konstruierte und daher besonders kurz bauende Getriebe waren durch ein Gussrohr verbunden, das zugleich den Kraftstofftank beinhaltete.
Originell konstruiert: der NG 23
Das erforderte eine Kraftstoffpumpe und führte zu einer etwas ungelenk anmutenden Anordnung des Schalthebels hinter dem Fahrersitz, ermöglichte jedoch den Anbau von Arbeitsgeräten zwischen den Achsen. Der seit Ende 1947 gebaute NG 23 k verfügte über einen nunmehr in Eigenregie nach einer MWM-Lizenz gebauten Motor, eine modern gestaltete Verkleidung und einen konventionell vor dem Armaturenbrett angeordneten Kraftstofftank.
Pneumatischer Kraftheber
Das Verbindungsrohr zwischen Motor und Getriebe übernahm dagegen eine neue Aufgabe. Es diente als Druckluftreservoir für externe Verbraucher wie Kipper, Anhängerbremsen und Reifenfüllanlagen sowie für den patentierten pneumatischen Kraftheber. Damit gehörte Normag zu den ersten deutschen Herstellern, die eine derartige Anlage und damit eine Alternative zum revolutionären Ferguson-System anbieten konnten. Zusammen mit einer speziellen, nach und nach erweiterten Gerätereihe wurde aus dem NG 23 k eine seinerzeit ungewöhnlich vielseitige Arbeitsmaschine.
Kramers Vierergespann
Wesentlich konventioneller, aber keineswegs von geringerer Marktbedeutung waren die Konstruktionen, mit denen die durch Demontage der Fertigungsanlagen arg gebeutelte Firma Kramer gut drei Monate nach der Währungsreform wieder in den Schlepperbau einstieg.
Die „Allesschaffer“ K 12 und K 18 mit liegenden Einzylindermotoren von Deutz und Güldner waren bereits von 1936 bis 1942 in großer Zahl gebaut worden und fanden dank ausgereifter Technik und günstiger Preise noch immer eine breite Marktnische vor. Etwas moderner, aber auch teurer waren die in Blockbauweise ausgeführten Modelle K 22 und K 28 mit stehenden Zweizylindermotoren. Der K 22 war bereits 1941 und 1942 produziert und jetzt lediglich vom Deutz- auf einen MWM-Motor umgestellt worden. Dagegen handelte es sich beim ebenfalls von einem MWM-Motor angetriebenen K 28 um einen auf Dieselbetrieb umkonstruierten Holzgasschlepper. Daneben wurde das Marktgeschehen von kleinen und kleinsten, oftmals nur regional bekannten Unternehmen geprägt.
Nebenschauplätze
Die Firma Krümpel im westfälischen Wettringen hatte bereits von 1938 bis 1940 rund 20 Schlepper gebaut. Ohne nennenswerte technische Änderungen wurde die Fertigung des in Blockbauweise ausgeführten KR 22 mit Deutz-Motor und Prometheus-Getriebe ab 1948 fortgesetzt, wobei inklusive des Nachfolgers KR 25 bis 1952 nur wenig über 50 Nachkriegsschlepper entstanden. Die Passauer Firma Röhr hatte seit November 1945 eine Handvoll Schlepper zusammengebaut und wagte jetzt offiziell den Einstieg ins Geschäft. Die Motoren bezog man zunächst bevorzugt von der nur einige Kilometer entfernt in Ruhstorf an der Rott ansässigen Firma Hatz sowie teilweise auch von MWM und Güldner, während die Getriebe von Renk aus Augsburg stammten.
Text: Klaus Tietgens