Ehemalige Klassenfeinde

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Lastschaltung im Osten
Das Getriebe des ZT war für die damalige Zeit technisch anspruchsvoll. Jeweils drei Gruppen – davon die beiden langsameren auch für Rückwärtsfahrt – und drei Gänge lassen sich dank ständig im Eingriff befindlicher Zahnräder leichter schalten als bei herkömmlichen Schubradgetrieben. Eine Spezialität ist die Unter-Last-Schaltstufe. Diese wird mittels eines Handhebels vorgewählt und bei halb durchgetretenem Kupplungspedal aktiviert.

Nun läuft der Fahrantrieb nicht mehr über die vordere, sondern über die hintere Scheibe der ­Doppelkupplung, welche zugleich die Zapfwelle antreibt. Ein entsprechendes Stirnradvorgelege reduziert die Geschwindigkeit um 21 Prozent und steigert das Drehmoment an den Antriebsrädern um etwa 27 Prozent. Das Kupplungspedal läßt sich in dieser Stellung durch Kippen der Trittplatte arretieren – und durch Zurückkippen der Trittplatte wieder lösen, wodurch die Lastschaltstufe ausgerückt wird.

Diese Technik erleichtert die Überwindung von Lastspitzen bei schweren Zugarbeiten. Dauerhaft sollte die Lastschaltstufe nicht eingelegt bleiben – schon gar nicht bei Talfahrt, weil hier aufgrund des Freilaufes die Motorbremswirkung fehlt. Der Freilauf ist der Konstruktion geschuldet und fungiert als Schutz vor Überlastungen beim Herunterschalten.

Derartige Lösungen waren damals nicht unüblich, wie unter anderem die Lastschaltung „Multipower" von MF beweist. Anders als die westliche Konkurrenz warb das Traktorenwerk Schönebeck jedoch nicht mit der mittels Lastschaltstufe verdoppelten Gangzahl, sondern nannte in seinen Broschüren lediglich neun Vorwärts- und sechs Rückwärtsgänge anstellte der insgesamt 18/12 Fahrstufen.

Neun davon liegen zwischen 4 und 12 km/h. Sie ­decken de facto zwar nur die fünf Geschwindigkeiten 4,7, 6, 7,5, 9,5 und 11,7 km/h ab, doch ergibt sich mit einem benachbarten Gang um 3,8 km/h eine recht gleichmäßige sechsfache Abstufung im Hauptarbeitsbereich.

Synchronisierung im Westen
Deutz setzte für seine Sechszylinder der Serie 06 auf ZF-Getriebe der Serie 300 bzw. – ab 1972 – T-3000. Im D 9006 wurde wahlweise die einfache Variante T-330 I mit vier Gängen pro Gruppe verbaut, während im  D 10006 ausschließlich die Ausbaustufe  T-335 II bzw. T-3311 mit sechs Gängen pro Gruppe und Feinstufenschaltung zum Einsatz gelangte.

Anfangs war eine Bolzenschaltung Standard. Auf Wunsch bzw. ab 1972 serienmäßig gab es eine Synchronisierung der Gruppen (Feinstufe und Rücklauf) sowie der Gänge 3 bis 6, was eine – auch im Vergleich zum ZT 300 – leichtere Schaltbarkeit mit sich brachte. Dafür verzichtete ZF nach wenig befriedigenden Versuchen auf eine Lastschaltung.

Im Bereich von etwa 3,5 bis 11 km/h stehen sechs Gänge in einer dem ZT 300 vergleichbaren Abstufung zur Verfügung. Einig waren sich die Hersteller beim Aufbau der Hinterachse mit innenliegenden Planetengetrieben, deren Untersetzung entsprechend höhere Drehzahlen und damit niedrigere Drehmomente im Schaltgetriebe ergab.

Standard in Ost und West waren fahrunabhängige Zapfwellen mit den beiden Normdrehzahlen 540 und 1.000 U/min sowie eine Höchstgeschwindigkeit von rund 30 km/h. Verschiedentlich wird behauptet, dass letztere Angabe beim ZT auf einem gewissen Understatement beruht, damit der Schlepper einst von Inhabern des bereits im Alter von 16 Jahren erhältlichen DDR-Traktorführerscheins der Klasse 3 gefahren werden durfte.

Wir sahen diesen Verdacht auf der Straße bestätigt: Bei der jeweiligen Nenndrehzahl von 1.800 im ZT bzw. 2.300 U/min im Deutz eilte der „Ossi“ dem großzügig bereiften „Wessi“ langsam, aber sicher davon. 

Deutz mit großer Reifenvielfalt
„Großzügig bereift“ bedeutet in diesem Fall, dass der von uns gefahrene Deutz D 10006 Special mit den größten ab Werk erhältlichen Formaten 13.6-24 an der Vorderachse und 18.4-38 an der Hinterachse ausgestattet ist. Diese waren ab 1972 erhältlich, während die Kunden zuvor mit bescheideneren Formaten Vorlieb nehmen mussten.

Hinten waren das die gängigen 30- und 34-Zöller, an der bis 1972 verwendeten ZF-Lenktriebachse 20-Zöller und erst an der späteren, von der ita­lienischen Firma SIGE zugelieferten Allrad-Vorderachse 24-Zöller. Von diesem Zeitpunkt kamen an der Hinterhand bevorzugt die Größen 18.4-34 und 18.4-38 zum Einsatz, was sich vorteilhaft auf Bodenfreiheit und Traktion auswirkte. 

ZT kommt spät mit Allrad
Hier war der ZT klar im Nachteil: Im Gegensatz zum Deutz war er nicht von Anfang mit Allradantrieb lieferbar. Erst ab 1971 konnten die Kunden zwischen dem hinterradgetriebenen ZT 300 und dem ZT 303 mit angetriebener Vorderachse wählen. Diese Achse war zudem ein Kompromiss, denn sie wurde im Rahmen der – grundsätzlich sinnreichen – Gleichteilepolitik dem IFA-Lastwagen W 50 LA entnommen.

Die ­Konstruktion mit stabilem Tragkörper und separat davor laufendem Triebstrang inklusive Stirnradvorgelegen an den Achsschenkeln mutet durchaus robust an, schränkt die Bodenfreiheit jedoch stark ein. Dazu trägt auch die rechtsseitig unter dem Fahrzeug verlaufende Kardanwelle bei, welche beim Fahren in der Ackerfurche allzu schnell Bodenkontakt bekommt.

Der Abtrieb zur Vorderachse ist dort am Getriebe angeflanscht, wo sich beim hinterradgetriebenen ZT 300 eine Front- bzw. Zwischenachszapfwelle realisieren lässt. Er verfügt über einen Freilauf, schaltet sich automatisch zu, sobald der Schlupf der Hinterräder sechs Prozent erreicht und deaktiviert sich bei nachlassendem Schlupf.

Wird der Vortrieb aller vier Räder bei Rückwärtsfahrt benötigt, kann der Freilauf im Abtrieb durch Betätigung eines Absperrventils unter dem Armaturenbrett gesperrt werden. Eine Kontrollleuchte weist auf diese Sperre hin. Helfen kann diese Technik auch in wortwörtlich „verfahrenen“ Situationen, denn die automatische Allradzuschaltung ist zwar eine angenehme Bedienerleichterung, doch bei festgefahrenem Schlepper wünscht man sich bisweilen einen starren Durchtrieb auf alle Räder. 

Der ZT lebt auf kleinem Fuß
Zeitlebens musste der ZT 303 mit vergleichsweise kleinvolumigen Reifen der Formate 12.5-20 vorne und 18.4-30 hinten auskommen. Die sich im Westen vollziehende Entwicklung zu größeren Rädern machte die DDR-Industrie nicht mit. Nur der für Spanien vorgesehene Exportschlepper ZT 303-E, der Hangschlepper ZT 305 und einige der letzten, ab 1984 aufgebauten ZT 303-D lebten auf größerem Fuß – 16/70-20 an der Vorder- und 18.4-34 an der Hinterachse.

Der gemessen an der Motorleistung allzu knapp bemessenen Bereifung begegnete das Werk mit zahlreichen Ballastierungsmöglichkeiten. Vorne lassen sich bis zu zehn Zusatzgewichte à 38 kg einhängen, die Hinterachse lässt sich mittels gusseiserner Ballastscheiben um 460 kg und durch Wasser in den Reifen um weitere 570 kg beschweren.

Mit dem „vollen Programm“ wächst das Gewicht des Allradschleppers auf 6,7 Tonnen – beruhigend, dass insgesamt 7.550 kg zulässig sind. Der Deutz ist von Haus aus um wenigstens 600 kg leichter und kommt oftmals allein mit Frontballast aus, darf aber auch nur maximal 6,5 Tonnen wiegen. 

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Ehemalige Klassenfeinde - Wer hat die Nase vorn, ZT 303 oder Deutz D 10006? - Text: Klaus Tietgens - Fotos:
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