Chronik 1951 - Modellexplosion

Der Versuch, die explodierende Nachfrage im Boomjahr 1951 zu stillen, führte bei Hela zu einer ausufernden Produktpalette. Fahr profitierte von der Motorenentwicklung bei Güldner, Nordtrak und Urus suchten die Nische.

 
Fahr D 22 PH:Weiterentwicklung des D 17 H mit hubraumstärkerem Motor © Archiv K. Tietgens
Fahr D 22 PH:Weiterentwicklung des D 17 H mit hubraumstärkerem Motor

Der Aufschwung der Schlepperindustrie schritt 1951 ungebremst voran. Die Nachfrage wuchs im Inland um knapp 50 und im Export gar um nahezu 75 Prozent. Um an diesem Boom teilhaben zu können, waren auch Hersteller mit hoher Fertigungstiefe auf zugekaufte Komponenten angewiesen. Daneben motivierte die Aussicht auf lukrative Geschäfte zu Neuentwicklungen. So beschritten die Firmen Nordtrak und Urus den Weg vom umgebauten Militärfahrzeug zum eigenständigen Schlepper.

Lückenschluss bei Fahr

 

Die im Fahr-Programm zwischen 17 und 25 PS klaffende Lücke schlossen ab Oktober 1951 der D 22 P und dessen Hoch­radvariante D 22 PH, die sich von den Modellen D 17 und D 17 H durch den Güldner-Zweizylindermotor 2 DA mit 95 Millimetern (anstelle des 2 D 15 mit 85 Millimetern) Bohrung und 22 PS bei 1.800 U/min unterschieden. Für die Kraftübertragung sorgte das aus den 17ern bekannte ZF-Fünfganggetriebe A-8, womit die Schlepper über den gleichen Triebstrang verfügten wie der Güldner AF 20 (siehe TC 2/2011). Der 22er erreichte zwar nicht die Beliebtheit des 17ers, doch entstanden bis Ende 1953 immerhin 1.630 Exemplare des Standardmodells (mit Bereifung 8-24 oder 9-24) und 1.749 Hochradschlepper (mit Bereifung 8-32 oder 10-28).

Hela mit 15, 17, 18 und 20 PS

Mit dem neuen Markenzeichen HELA präsentierten sich die Produkte der Schlepperfabrik Hermann Lanz Aulendorf. In der kleinen Leistungsklasse war man seit dem Vorjahr mit zwei Modellen vertreten, die beide vom 15 PS starken MWM-Einzylindermotor KDW 415 E angetrieben wurden. Der D 14 baute auf dem Hurth-Fünfganggetriebe G 76 auf, der D 15 auf einer Kraftübertragung eigener Fertigung mit Portalachse und sechs Vorwärtsgängen. Dem D 14 stellte man nun die 18-PS-Version D 18 mit dem hubraumstärkeren, ursprünglich auf Anfrage von Fendt entwickelten MWM-Einzylinder KDWF 415 E zur Seite, zum D 15 gesellte sich der 17-PS-Typ D 16 mit dem MWM-Zweizylinder KD 11 Z. Der D 16 blieb – ab Anfang 1953 mit dem auf Bosch-Einspritzung umgestellten Motor KD 211 Z und ab August 1956 wahlweise mit dessen luftgekühltem Pendant AKD 311 Z – bis März 1958 im Programm und brachte es auf knapp 900 Exemplare. Für die gleiche Stückzahl brauchte der D 18 – ab Anfang 1952 mit dem ebenfalls auf Bosch-Einspritzung umgestellten, 20 PS starken KDW 615 E – nur bis Mai 1954.

Hela mit 22, 25, 28, 30 und 32 PS

Ähnlich verwirrend war die Vielfalt im oberen Leistungsbereich. Ab Oktober 1951 wurde der nach seinem Erscheinungsjahr benannte D 47 mit dem MWM-Zweizylinder KDW 415 Z angeboten, ­einer vom Vor- auf das Wirbelkammerverfahren umgestellten Abwandlung des KD 415 Z. Die Leistung wurde wahlweise mit 22, 25 und 28 PS angegeben, und analog dazu hieß der Schlepper im Verkauf teilweise D 28 – wie auch die bereits seit Juli 1950 erhältliche Version mit dem luftgekühlten Deutz-Motor F2L514 (30 PS, siehe TC 5/2010).

Gegen Ende des Jahres gesellte sich eine Variante mit dem 32 PS starken, im Schlepperbau fast ausschließlich von Hela verwendeten MWM-Zweizylinder KDW 515 Z (mit 105 Millimetern Bohrung gegenüber 100 beim KDW 415 Z) und der alternativen Bezeichnung D 32 hinzu. Neben dem serienmäßigen Fünfganggetriebe aus eigener Fertigung gelangten in Ausnahmefällen die ältere Viergangversion und das sogenannte Exportgetriebe mit acht Vorwärtsgängen zum Einsatz. Bis März 1957 baute Hela etwas über 1.000 Einheiten der 22/25/28-PS-Version. Die ab Ende 1953 mit dem auf Bosch-Einspritzung umgestellten Motor KDW 715 Z gelieferte 32-PS-Variante brachte es bis März 1956 auf 282 Exemplare.

Kraxler aus Hamburg...

Die Norddeutsche Traktorenfabrik (kurz: Nordtrak) in Hamburg-Lohbrügge stellte ihrem Allradschlepper Stier 30 (siehe TC 3/2011) im Oktober 1951 den kleineren Stier 18 zur Seite. Diesem diente der Einzylinder-Zweitakt-Dieselmotor B1S von Hatz als Antrieb, während für die Kraftübertragung das aus dem 30er bekannte, ursprünglich für den allradgetriebenen Wehrmachts-Lastwagen V 3000 A bestimmte Ford-Fünfganggetriebe sorgte. Anstelle der Ford-Achsen des größeren Modells rollte der 18er auf Achsen des amerikanischen Herstellers Dodge, die ihm dank ihrer etwas längeren Untersetzung (1: 5,83 gegenüber 1:6,67) mit der Bereifung 7-24 zur gleichen Höchstgeschwindigkeit (rund 20 Kilometer pro Stunde) verhalfen wie dem im Format 9-24 bereiften 30er.

Den geringeren Abrollumfang der anfangs verwendeten 6.50-20-Reifen glich man mit einer etwas längeren Untersetzung des Verteilergetriebes aus. Mit einem Preis von 9.025 DM (Stand 1952) inklusive Anlasser, Mähantrieb, Riemenscheibe und Zapfwelle war der Stier 18 deutlich wohlfeiler als der Stier 30 (13.725 DM), aber ähnlich teuer wie gängige 20 bis 25 PS starke Standardschlepper. Das begrenzte seine Verbreitung auf spezielle Einsatzgebiete, doch fand er bis Ende 1953 fast 300 Käufer. Deutlich rarer machte sich der direkt mit dem Stier 30 konkurrierende Urus B 28.

Wie Nordtrak-Vorgänger Georg R. Wille hatte die Großhessische Truck-Company in Wiesbaden ihre ersten Gehversuche mit dem Umbau von Militärfahrzeugen unternommen:

...und aus Wiesbaden

Trugen diese zunächst den Namen „Ursus“ (lat.: Bär), erfolgte 1950 – nach einem Einwand des polnischen Ursus-Werks – die Umbenennung des Unternehmens zu den „Urus-Werken“ (nach lat.: Auerochse). Diese präsentierten im Herbst 1951 den neu konstruierten Urus B 28, dessen Triebstrang aus dem MWM-Zweizylindermotor KDW 415 Z, dem Renk-Fünfganggetriebe SGA 22-5 und einer ­angetriebenen Vorderachse bestand. Mit einem Preis von 12.335 DM (Stand 1952) war der Urus – bei kleinerer Bereifung im Format 8-24 – etwas günstiger als der Stier 30 oder der 30-PS-Allradler vom MAN, aber fast so teuer wie manch hinterradgetriebener 40-PS-Schlepper. Diese Tatsache und das lückenhafte Vertriebsnetz sorgten dafür, dass bis 1957 bestenfalls 100 Exemplare gebaut wurden – ab 1955 übrigens wieder unter dem Namen „Ursus“.

Text: Klaus Tietgens

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