Chronik 1948 -Teil 4
Der nur in geringen Stückzahlen gebaute Wotrak wurde von seinem Hersteller aufwendig eingekleidet
Die meisten Schlepper waren im Spätherbst 1948 in der Leistungsklasse um 22 PS angesiedelt, in der die Zulieferindustrie schon seit der Vorkriegszeit die meisten Komponenten anbot. So blieb die technische Vielfalt ungeachtet der steigenden Anzahl der Hersteller ziemlich überschaubar.
Hatte Zettelmeyer vom Kriegsende bis zur Währungsreform gerade einmal sechs Schlepper aus vorhandenen Teilen fertigstellen können, kam die Produktion des Ackerschleppers Z 1 und des Straßenschleppers Z 2 jetzt langsam in Schwung. Der Triebstrang aus dem Deutz-Motor F2M414 und dem Getriebe eigener Konstruktion blieb weitgehend unverändert, doch bald sorgte eine Kühlerverkleidung für ein modernes Erscheinungsbild.
Die ursprünglich in Hamburg-Moorburg ansässige Firma Ritscher hatte kurz vor Kriegsende ein Werk in Sprötze (Kreis Harburg) errichtet, das die Geschehnisse weitgehend unbeschadet überstand, 1947 aber großenteils demontiert und nach Russland abtransportiert wurde. Erst im Oktober 1948 lief die Fertigung des bekannten Dreiradschleppers 320 mit Vierganggetriebe eigener Bauart wieder an, nun jedoch mit kantigerer Verkleidung und MWM-Motor anstelle des zuvor verwendeten Deutz-Antriebs. Bis Jahresende entstanden 26 Exemplare.
Faun – Schlepper im Stil des Hauses
Auch der Nürnberger Nutzfahrzeughersteller Faun hatte sich einen weniger von den Kriegsereignissen heimgesuchten Standort suchen müssen. 1944 begann man mit der Errichtung eines neuen Stammwerks in der Kreisstadt Lauf an der Pegnitz, wo ab 1947 Lastwagen und Zugmaschinen gebaut wurden. Außerdem wollte man sich vom nun abzusehenden Schlepperboom eine große Scheibe abschneiden und präsentierte Ende 1948 den AS 22 mit wuchtiger, weitgehend geschlossener Haube im Stil des Hauses. Der im Ritscher 320 verbaute MWM-Zweizylindermotor kam auch hier zum Einsatz, doch gab er seine Kraft an das Vierganggetriebe SG 22-4 ab, mit dem der Augsburger Hersteller Renk (ZA) seit kurzem eine Alternative zu den Triebwerken von Prometheus und ZF anbot.
Aus anderen Gründen sah sich Walter Eckold zum Umzug genötigt. Nach der Enteignung seines 1936 in Wernigerode gegründeten Betriebes fand er bei St. Andreasberg im Westharz eine neue Heimat. Nachdem er einst vor allem die Luftfahrtindustrie mit Blechen beliefert hatte, musste er sich wegen des in Deutschland nunmehr verbotenen Flugzeugbaus nach neuen Geschäftsfeldern umsehen. Neben Fördergeräten entstanden ab Ende 1948 einige wenige Schlepper, deren Name „Wotrak“ sich von der eigens für den Vertrieb gegründeten Wolfenbütteler Traktorengesellschaft ableitete. Die aufwendig gestaltete Motorverkleidung und das elegant geschwungene Fahrerdach zeugen von der Erfahrung des Herstellers in der Blechbearbeitung. Der darunter verborgene Triebstrang bestand in diesem Fall aus dem Deutz-Zweizylindermotor F2M414 und dem Renk-Getriebe SG 22-4.
Die Brüder Gottfried und Josef Kelkel hatten bereits 1933 ein Fahrzeugbauunternehmen in Asperg bei Ludwigsburg gegründet. Auch bei ihnen stand nun ein Umzug auf dem Plan, denn ab 1948 gingen sie getrennte Wege, errichteten jeder für sich eigene Betriebe im benachbarten Tamm und machten sich fortan sowohl im Schlepper- als auch im Anhängerbau Konkurrenz. Die erste Nachkriegskonstruktion K 22 entstammte noch der gemeinsamen Schaffenszeit und baute auf dem MWM-Motor KD215Z und dem ZF-Getriebe A-12 auf.
Allradsensation MWM ASA
Die Motorenwerke Mannheim (MWM) selbst hatten in den 20er- und 30er-Jahren Pionierarbeit auf dem Gebiet des Dieselschlepperbaus geleistet, waren dem Geschäft seitdem jedoch nur noch – wenn auch mit wachsendem Erfolg – als Motorenlieferant verbunden. Um so mehr versetzte der 1948 fertiggestellte Allradschlepper ASA die Fachwelt in Erstaunen. Dieser war in Zusammenarbeit mit dem von Professor Gerhard Preuschen geleiteten Institut für landwirtschaftliche Arbeitswissenschaft und Landtechnik in Imbshausen bei Göttingen entwickelt worden. Der 22 PS starke Motor KD215Z stammte aus dem eigenen Regal und trieb vier gleichgroße Räder mit der hohen, schmalen Bereifung 6.50-32 an.
Hochmodern mutet trotz der einfachen Blattfeder die vordere Einzelradaufhängung an doppelten Querlenkern an. Die mehrfach in der Literatur erwähnte Gewichtsverteilung von zwei Dritteln auf der Vorder- und einem Drittel auf der Hinterachse erscheint eher unwahrscheinlich, vielmehr dürften die Achsen etwa gleichmäßig belastet sein. Eine weitere Besonderheit war der druckluftbetriebene Kraftheber mit automatischen Schnellkupplern. MWM plante nach eigenen Angaben keine Serienproduktion. In der Folgezeit nahm sich jedoch der Lübecker Hersteller Deuliewag der Idee an und brachte sie in weiterentwickelter Form unter dem Namen „Record“ auf den Markt. Leider erzwang die aufwendige Bauweise einen hohen Verkaufspreis, der zusammen mit technischen Problemen einen nennenswerten Verkaufserfolg verhinderte.
Text: Klaus Tietgens