Aus Freude am Schalten

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Kühlkreislauf erweitert
Serienmäßig hat der Motor nur einen Kühlkreislauf. Im oberen Kühlwasserschlauch sitzt der Thermostat. Beim Erreichen der Betriebstemperatur öffnet er den Kreislauf. Während oben das heiße Wasser in den Kühler fließt, gelangt unten aus dem Kühler kaltes Wasser in den Kühlmantel des betriebswarmen Motors. Dieter Rath: „Der Motor wird abgeschreckt.“ Um dies zu vermeiden, hat der Motorenfachmann den OM 636 seines D 177 S um einen zweiten, kleineren Kühlkreislauf (ohne Integration des Kühlers, Bild S. 43 u. re.) erweitert und den Thermostat nach unten verlegt. Der kleine Kreislauf, in dem kühleres Wasser nach dem Thermo­syphon-Prinzip absinkt, heizt den Thermostat an, beim Erreichen der Regeltemperatur beginnt dieser zu takten. Dieter Rath: „Bei jedem Regeltakt gelangt nur eine kleine Menge Kühlwasser des äußeren Kreislaufs in den inneren Kreislauf, etwa die Flüssigkeitsmenge einer halben Tasse Kaffee.“ Erst nach dem Erhitzen des gesamten Kühlwassers schaltet das System dauerhaft auf den großen Kühlkreislauf um.

Niedriges Leistungsgewicht
Eine Blockbauweise ließ der Motor von Mercedes nicht zu. Die Gottmadinger realisierten eine Bauweise mit einem Halbrahmen und einer Wanne, die den Motor trägt. An der Kupplungsglocke ist der Motor angeflanscht. Der Motor, dessen Leistung und die Bauweise des Schleppers ­ergaben das günstige Leistungsgewicht von 48 kg/PS. Branchenüblich waren 50 bis 60 kg/PS. Der Gefahr durchdrehender Räder oder eines Aufbäumens des Vorderbaus begegneten die Gottmadinger mit einem langen Radstand und dem optionalen Raddruckverstärker (RDV).
Der RDV bewirkt ein kurzfristiges Umverteilen des Bodendrucks vom Anbaugerät auf die Hinterachse. Bis zu 30 Prozent kann der Fahrer die Hinterachse kurzfristig auflasten, wenn die Räder zu schlupfen drohen. Die Bedienung des RDV bedarf eines gewissen Feingefühls. Die effektivste Wirkung erzielt der Fahrer, wenn er den RDV unmittelbar vor dem Durchrutschen der Räder aktiviert. Allerdings erhitze sich beim Dauereinsatz das Hydrauliköl, sagt Dieter Rath. Der RDV war ein Vorläufer der hydraulischen Zug­widerstandsregelung. Bei schwierigen ­Bodenverhältnissen kann der Fahrer außerdem die Sperre für das Hinterachsdifferenzial ziehen. Eine Feder löst die Sperre, sobald die Hinterachse durch Gas­wegnehmen entlastet wird.

Langsam auf dem Papier
Fahr baute den 20 Kilometer pro Stunde schnellen D 177 von Juni 1958 bis Juli 1959. Danach löste ihn der 28 Kilometer pro Stunde schnelle D 177 S ab. Die Baureihe lief bis zum Ende der Schlepperproduktion im März 1961. Der Schnellläufer war also der Nachfolger der Normalversion, kein Parallelangebot wie bei anderen Herstellern. Dennoch habe es auch vom S eine langsame Ausführung für 20 Kilometer pro Stunde gegeben, berichtet Dieter Rath: für Kunden, die eine langsame Version wegen ihres Führerscheins brauchten. Das Drosseln der Geschwindigkeit besorgte ein elektrischer Drehzahlbegrenzer. Eine geringere Höchstgeschwindigkeit in den Fahrzeugpapieren eines D 177 S ist also kein Mysterium. Dann bleibt nur bei einer Probefahrt zu prüfen, ob der Drehzahlbegrenzer noch funktioniert.
Alle (serienmäßigen) D 177 hatten das ZF-Getriebe A-208 mit einer schnellen, einer langsamen und einer Rückwärtsgruppe. Die niedrigste Fahrstufe war als Kriechgang ausgelegt. Das Schaltwerk des D 177 S hatte eine schnellere Achsuntersetzung. Beide Getriebe übersetzten die hohen Drehzahlen des Mercedes-Motors auf Schlepperniveau. Das öffnet die Aussicht zum Tuning. Das A-208 verkaufte ZF auch an Hersteller von Schleppern mit Drehzahlen um 2.000 Umdrehungen pro Minute. Wer deren A-208 in den 177 S implantiert, beschleunigt diesen ebenso, wie er die Lebensdauer der Antriebsmechanik verkürzt. Zumindest dann, wenn der Fahrer regelmäßig dem Geschwindigkeitsrausch verfällt. Mit dem Dreisatz ließe sich ausrechnen, wie schnell ein beschleunigter D 177 S läuft ...
20 Exemplare der Nullserie des D 177 hatten das ZF-Getriebe A-108 „Ausführung Fahr“. Es hatte keinen Planetenradsatz zum Untersetzen der Getriebeausgangsdrehzahl wie sein Nachfolger in der Serienproduktion, das A-208. Stattdessen reduzierte eine Voruntersetzung am Getriebeeingang die hohen Motordrehzahlen. Die Bremstrommeln waren außen positioniert und sehr viel größer. Interessant ist, dass auch Schlepper der Nullserie an Kunden ausgeliefert wurden. Einige Exemplare könnten sogar überlebt haben. Sollten sich ein Nullserien- und ein Se­rienschlepper treffen, wären die technischen Unterschiede an der Hinterachse sehr augenfällig.  

Bremsangelegenheiten
Beim D 177 wirkt die Fußbremse auf die Bremsbacken in den Bremstrommeln. Beim Modellwechsel vom 177 zum 177 S zeichnete sich eine Änderung der Bremsvorschriften ab. Vielleicht hätten die Gottmadinger noch Bestandsschutz geltend machen können. Indes zogen sie es vor, den neuen D 177 S gemäß der neuen
Bestimmung auszurüsten. Die verlangte getrennte Hand- und Fußbremsen. Die Handbremse des 177 wirkte als Feststellbremse auf das Hauptbremspedal. Da­gegen ist die Handbremse des 177 S eine Außenbandbremse, beim Ziehen des Handbremshebels legt sich außen ein Band um die Bremstrommel. Für „alte“ ­
D 177 gilt aufgrund der Typzulassung der Bestandsschutz.
Die Ersatzteillage ist durchwachsen. Nicht etwa wegen der Verfügbarkeit der Teile, sondern wegen der Fundstellen. Motorenteile gibt es auch unter den Stichworten Unimog und Mercedes, Standardteile unter den Suchbegriffen Fahr und Güldner. Karl-Heinz Rigling und Dieter Rath haben sich bei den Fahr-Schlepper-Freunden e.V. auf Ersatzteile spezialisiert. Der Vereinssitz ist Gottmadingen. Die Fahr-Schlepper-Freunde unterhalten eine Ausstellungshalle mit Landmaschinen und Traktoren von Fahr. Die Vereinszeitung „Fahr-Schlepperpost“ erscheint drei Mal im Jahr. Der Verein vermittelt auch Kontakte zwischen Käufern und Verkäufern, sowohl für Ersatzteile als auch für komplette Schlepper. Dieter Rath über die Ersatzteillage: „Nur selten muss man richtig lange suchen.“

Vom Ferguson inspiriert?
In Gottmadingen war die Maschinenfabrik Fahr AG ein eingesessener Betrieb. Für die Mitarbeiter war der Arbeitsplatz kein Job, sondern ihr Lebensinhalt. „Üsere Fabrik“ hieß sie in der Mundart jener südwestdeutschen Region, durch die die schwäbisch-alemannische Sprachgrenze verläuft. Ältere Gottmadinger sind davon überzeugt, der D 177 sei von einem Ferguson inspiriert. Der „alte Dr. Fahr“ habe extra einen gekauft. Der Senior-Besitzer des Gasthofs Wider im Ortsteil Bietingen: „Wir haben gesehen, wie der Ferguson auf dem Betriebsgelände getestet wurde.“ Von dem Ferguson hätte Fahr den langen Radstand und den niedrigen Schwerpunkt des D 177 übernommen. Unberührt lässt in dieser Gegend die Geschichte von Fahr niemanden. Selbst die Kellnerin in der Gaststätte erinnert sich an die rote Farbe an den Händen ihrer Mutter, die „auf Fahr“ in der Lackiererei arbeitete. Die Betriebshallen in der für die Nachkriegszeit typischen Lichtbauweise existieren noch, überragt vom Kamin der Gießerei, auf dem mit weißer Leuchtfarbe „Fahr“ zu lesen ist. Es klingt beinahe trotzig, als die Kellnerin sagt: „Seit Fahr weg ist, hat sich auf dem Gelände kein anderer Betrieb mehr als ein paar Jahre gehalten.“
Von Peter Böhlke

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Fotos: M. und P. Böhlke
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