Aufbruch in die Zukunft

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Die einfacheren Modelle wurden im Werk Coventry gefertigt. Jüngstes Produkt war seit 1986 die im Leistungsbereich von 47 bis 95 PS angesiedelte Serie 300, die den 200ern eine neue Kabine und optional synchronisierte Wendegetriebe voraus hatte.
Aus dem italienischen Landini-Werk kamen ab 1988 ebenfalls weiterentwickelte Baureihen der unteren Leistungsklasse, die 303er (einfache Standardschlepper), die komfortableren 7er (Modelle 377, 387, 397 und 1007) und die 304er (Schmalspur- und Plantagenschlepper) mit verfeinerter Getriebeabstufung, wahlweise 40 km/h Höchstgeschwindigkeit und im Falle der 7er mit verbesserter Ergonomie (Schalthebel rechts vom Fahrersitz).
Nach wie vor wurden in einigen Ländern Schlepper der Serie 200 angeboten, in den USA beispielsweise die Modelle MF 240 und MF 253 aus Coventry, der aus dem polnischen Ursus-Werk – einem der zahlreichen MF-Lizenznehmer – bezogene MF 231 sowie der im brasilianischen Canoas gefertigte
MF 283 (34 bis 67 PS an der Zapfwelle).

Kooperation mit Valmet
Der MF 3680 begegnete ab 1988 der inzwischen auch in Europa wachsenden Nachfrage nach stärkeren Schleppern. Mangels eines passenden Perkins-Motors bezog man den 180 PS starken Sechszylinder vom finnischen Hersteller Valmet. Im Gegenzug fertigte MF in Beauvais Großschlepper für Valmet und ab 1993 auch für Steyr.
Wesentlicher Bestandteil der Restrukturierung war die Entwicklung vom sogenannten „Landtechnik-Fullliner“ zum Ackerschlepper-Spezialisten. Andere Produkte verblieben im Programm, wurden jedoch extern gefertigt. So erfolgte 1988 die Schließung des kanadischen Mähdrescherwerks Brantford, Ontario. Den als Nachfolger der dort gefertigten Serie 4000 entwickelten Knicklenker MF 5200 gab man an die McConnell Ltd. ab, die den wahlweise 375 oder 390 PS starken Schlepper fortan im Werk Kinston, North Carolina baute und wahlweise als MF oder unter der eigenen Marke McConnell-Marc verkaufte. Die Mähdrescher für den europäischen Markt bezog man schon seit einigen Jahren von Sampo Rosenlew aus Finnland und von Dronningborg aus Dänemark.

Neue Motoren
Die jährlich in rund 11.000 Exemplaren gefertigten Serien 3000 und 3600 erfuhren 1990 eine Aufwertung. Die fortan an der Endziffer „5“ zu erkennenden Schlepper im Leistungsbereich von 107 bis 155 PS sowie die für den amerikanischen Markt bestimmten Modelle 3120, 3140 und 3660 erhielten neue Perkins-Sechszylindermotoren mit sechs Litern Hubraum.
Im Laufe der 90er-Jahre folgten neue Vierzylinder mit 4 Litern Hubraum. Diese Motoren der Baureihe 1000 arbeiteten nach dem neuartigen „Quadram"-Verbrennungsverfahren, dessen Kernstück Brennräume in Form von vier Kugelsegmenten waren.

Firmenpolitik
Ab 1991 ersetzte man die bisher von Toyosha bezogenen Kompaktschlepper durch Produkte des ebenfalls japanischen Herstellers Iseki und im ­Folgejahr verkaufte man die Baumaschinensparte MF Industrial an FERMEC. Nachdem man die Beteiligung an Landini weitgehend an die italienische Argo-Gruppe abgegeben hatte, löste ab Mai 1993 die Serie 300 aus Coventry in Deutschland schrittweise die bislang aus Italien bezogenen Standardschlepper der unteren Leistungsklasse ab. Ab 1994 war für die 300er wahlweise eine zweistufige Lastschaltung erhältlich und später erfolgte die Aufteilung in Standardbaureihe 300 (71 bis 104 PS) und kompakte Serie 302 (47 bis 80 PS). Die Baureihen 3000 und 3600 profitierten unterdessen von der vierstufigen

Lastschaltung Dynashift (ab 95 PS). 1994 gründete man gemeinsam mit Renault Agriculture die GIMA (Groupement International de Mécanique Agricole) mit Sitz in Beauvais, welche fortan die bei-den wichtigsten ­französischen Hersteller mit Kraftübertragungen versorgte. So fand sich das Dynashift-Getriebe unter der Bezeichnung „Quadrishift“ fortan auch im Renault Ares. Im selben Jahr beteiligte man sich mehrheitlich am in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Mähdrescherproduzenten Dronningborg Industries, der fortan ausschließlich das MF-Vertriebsnetz belieferte.

1994: Verkauf an AGCO
MF war nach wie vor die am weitesten verbreitete Schleppermarke der Welt. Dazu trugen zahlreiche Lizenznehmer und Joint Ventures bei, unter anderem eine gerade erst in Pakistan errichtete Produktionsstätte. Dennoch beschloss Varity, sich komplett auf das Geschäft als Automobilzulieferer zu beschränken und verkaufte MF 1994 an den noch recht jungen AGCO-Konzern. AGCO (Allis Gleaner Company) war 1990 entstanden, als leitende Angestellte der Deutz Allis Corporation das Unternehmen von der Klöckner-Humboldt-Deutz AG erworben hatten. Das Angebot bestand zunächst aus Schleppern und Erntemaschinen der Marken AGCO Allis und Gleaner. Dazu gesellten sich nach und nach weitere Hersteller wie Hesston und White New Idea, doch der bislang größte Coup folgte im Juni 1994 mit der Übernahme des gesamten Unternehmens Massey-Ferguson. Noch im selben Jahr fand auch der Knicklenkerspezialist McConnell-Marc den Weg unter das Dach von AGCO, dessen Produkte jedoch fortan nicht mehr als MF, sondern unter der neuen Marke Agcostar verkauft wurden.
Mit dem Einstieg von AGCO trennten sich nach über 35 Jahren die Wege von Massey-Ferguson und Motorenhersteller Perkins, denn letzterer wurde erst 1998 von der zwei Jahre zuvor durch Fusion von Varity und Lucas Industries entstandenen Lucas Varity Corporation an den führenden Baumaschinenproduzenten Caterpillar Inc. verkauft.
Aus dem AGCO-Baukasten erfolgte Ende 1994 die Ergänzung des MF-Schlepperprogramms um das neue Flaggschiff 9240 mit 240 PS starkem Cummins-Motor und komplett lastschaltbarem 18/9-Gang-Getriebe. Weitgehend baugleiche Schlepper wurden unter den Marken AGCO Allis, White, SAME und Lamborghini angeboten.

Neues Bezeichnungssystem
Für die folgenden Neuerscheinungen änderte MF das Bezeichnungssystem. Die erste Ziffer der nunmehr durchweg vierstelligen Zahlen kennzeichnete die Baugröße, die zweite die Generation, und die hinteren beiden Ziffern standen wie bisher für die Rangordnung innerhalb der Modellreihe. Die 3000er und 3600er aus Beauvais wurden 1995 zu den Serien 6100 und 8100 und 1999 zu den Serien 6200 und 8200 weiterentwickelt. Sukzessive eingeführte Ver­besserungen betrafen unter anderem ­Perkins-Motoren mit dem neuen
„Fastram“-Einspritzverfahren, Kupplung und Getriebe (Wendeschaltung vorwählbar und später unter Last; ab 145 PS wahlweise komplett lastschaltbares Getriebe), Vorderachse, Hydraulik und Kabine.
Da ab 1998 der Leistungsbereich von 80 bis 260 PS abgedeckt wurde, fiel der MF 9240 aus dem Programm.
Als einfachere Alternative zu den kleineren Schleppern aus Beauvais und für viele Märkte als Einstiegsmodelle fungierten die 52 bis 110 PS starken 4200er aus Coventry, die 1997 die Nachfolge der 300er antraten. Das Landini-Werk lieferte ab 1999 kompakte Standardschlepper der Serie 2200 (54 bis 73 PS) und verbesserte Schmalspur- und Plantagen- sowie für verschiedene Märkte auch Standard- und hochbeinige Allradschlepper der Serie 3200 (54 bis 93 PS).

Markenvielfalt
Die Produktpalette der Marken AGCO Allis und White war unter Zuhilfenahme von MF-Konstruktionen überarbeitet und ergänzt worden, während die seit Januar 1997 ebenfalls zum Konzern gehörige Firma Fendt zunächst weitgehend unabhängig davon operierte, um ihr Image als Anbieter besonders hochwertiger Schlepper nicht zu gefährden und die entsprechend höheren Verkaufspreise zu rechtfertigen.
Die abgesehen von den nach wie vor in Brasilien und Großbritannien sowie von diversen Lizenznehmern gebauten 200ern nunmehr recht klare Linie der MF-Palette – Baureihen 2200 und 3200 aus Italien, 4200 aus Großbritannien und 6200/8200 aus Frankreich – wurde in den folgenden Jahren durch Ergänzungen, Lieferantenwechsel und die weitere Expansion des AGCO-Konzerns wieder etwas verwässert.

Lieferantenwechsel
2001 wurden die bislang von Landini bezogenen Plantagen- und Schmalspurschlepper durch die nunmehr bei Same-Deutz-Fahr im italienischen Treviglio gebaute Serie 3300 abgelöst. Aus Coventry kam die neue Baureihe 4300 (54 bis 120 PS); in der nunmehr alle Motoren nach dem „Fastram“-Verfahren arbeiteten. In den 6200ern und 8200ern sorgte die optionale, von der Firma Carraro bezogene „QuadLink“-Vorderachse mit Einzelradfederung für mehr Komfort und Sicherheit.
Im selben Jahr übernahm AGCO den unter der Marke Challenger firmierenden Ackerschlepperbereich des Baumaschinen- und Motorenherstellers Caterpillar Inc. Die Produktpalette bestand zunächst aus schweren Raupenschleppern, die in den folgenden Jahren durch Radschlepper auf Basis von MF-Kons­truktionen sowie durch Knicklenker als Ersatz für den Agcostar ergänzt wurden. Um der ausufernden Angebotspalette entgegenzuwirken, legte man die allzu nah aneinander positionierten Marken AGCO Allis und White 2002 zu AGCO zusammen. Nach 56 Jahren und insgesamt 3.307.996 Exemplaren rollte im traditionsreichen Werk Coventry Ende 2002 der letzte Schlepper vom Band.

2002: das Ende für Coventry
Die Fertigung der Serie 4300 wurde nach Beauvais verlegt, während die Serie 200 ohnehin bereits in Brasilien gebaut wurde, wo man im Februar 2004 die Auslieferung des 500.000. MF-Schleppers feierte. Unterdessen hatte Beauvais seine komplette Produktpalette erneuert. Die Baureihen 5400 und 6400 deckten den Bereich von 75 bis 185 PS ab und waren mit zwei- bzw. vierstufiger Lastschaltung lieferbar, die 120 bis 315 PS starken 7400er und 8400er verfügten über die von Fendt entwickelte stufenlose Kraftübertragung „DynaVT“ .
Die neuen Schmalspur- und Plantagenschlepper der Serie 3400 (64 bis 98 PS) wurden wie ihre Vorgänger bei Same-Deutz-Fahr gebaut, zwei grundverschiedene 2400er-Serien – Kompaktschlepper mit 33 bis 47 PS und – als Nachfolger der 2200er – kleine Standardschlepper mit 66 bis 82 PS stammten aus Werken der Argo-Gruppe. Mit der Übernahme des finnischen Herstellers Valtra und des dazugehörigen Motorenspezialisten Sisu Diesel konnte der AGCO-Konzern nunmehr auf eigene Antriebe im Bereich von etwa 60 bis über 300 PS zurückgreifen, die man - zunächst noch unter dem Namen Valmet – bereits seit 1988 in Schleppern verwendete.
Dennoch behielten viele MF-Modelle bis heute die zwar „nur noch“ zugekauften, jedoch gewissermaßen „traditionellen“ Perkins-Diesel.

Wieder mit eigenen Motoren
Von 74 bis 98 PS starken Sisu-Motoren angetrieben wurde die 2005 vorgestellte Baureihe 4400, bei der es sich um ein weitgehend baugleiches Gegenstück zur A-Serie von Valtra handelt. Im selben Jahr wurde die Serie 6400 bis
215 PS erweitert, um die nach Auslaufen der Serie 8200 entstandene Lücke im Bereich preiswerter Schlepper um 200 PS zu schließen. Während die Dynashift-Lastschaltung der 6400er zur sechsstufigen Ausführung „Dyna-6“ weiterentwickelt wurde, profitierten die darunter angesiedelten 5400er von der „alten“ vierstufigen Variante.

Saubere Abgase
Immer strengere Abgasgesetze führten bis 2007 zur Umstellung sämtlicher in den Serien 5400 (ab 115 PS) 6400, 7400 und 8400 verwendeter Motoren auf Common-Rail-Einspritzung und vier Ventile pro Zylinder. Alle Modelle mit stufenloser Kraftübertragung und die beiden größten 6400er sind seitdem  wahlweise mit 50 km/h Höchstgeschwindigkeit erhältlich. Am unteren Ende ergänzten nun auch in Deutschland die bei Uzel Traktör in Istanbul gebauten Modelle 410, 420 und 430 mit 55 bis 74 PS die Palette. Meistgekaufter Schlepper in der Türkei war übrigens der MF 240 (47 PS) mit rund 25 prozent Marktanteil. Ein weiterer neuer Zulieferer trat im November 2006 auf den Plan. Die Serie 3600 mit 58 bis 91 PS starken Sisu-Dreizylindermotoren stammt aus dem von Carraro betriebenen Agritalia-Werk im italenischen Rovigo. 2008 lösten auf der gleichen Basis aufgebaute, maximal 100 PS starke Schmalspur- und Plantagenschlepper die bei Same-Deutz-Fahr gefertigte Serie 3400 ab.

Palette bis 370 PS
Nachdem die türkische Serie 400 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten bei Uzel Traktör nicht mehr lieferbar ist, stellte man jüngst neue Schlepper am unteren und am oberen Rand der Modellpalette vor. Während die von Iseki bezogenen Kompaktschlepper der Serie 1600 den Bereich von 36 bis 60 PS abdecken, reicht das Spektrum bei den neuen 8600er-Flaggschiffen mit stufen­losem Fendt-Getriebe und 8,4 Liter großen Sisu-Motoren bis 370 PS.
Als größte Sparte innerhalb des Konzerns trägt MF heutzutage rund 40 Prozent zum Umsatz von AGCO bei. Inklusive verschiedener Lizenzproduktionen werden jährlich rund 130.000 Schlepper der berühmten Marke gebaut. Mit einer breiten, auf die Bedürfnisse verschiedenster Märkte abgestimmten Modellpalette sieht man sich für die Zukunft bestens gerüstet.
Klaus Tietgens


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Aufbruch in die Zukunft (Fotos: Archiv T. Tietgens)
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