Der Lanz-Rivale aus Hannover

Seiten

Der Vierzylinder läuft wie ein Neufahrzeug, als hätte es die letzten 64 Jahre nicht gegeben. In den fast 10 Jahren Bauzeit bis zur Einstellung der Reihe im Jahr 1951  griffen über 12.000 Käufer zu. Für ein seinerzeit der oberen Preis- und Leistungsklasse zuzuordnendes Fahrzeug eine durchaus ansehnliche Zahl. Heute ragen sie – zumeist in neuem Glanz – bei Treckertreffen immer noch eindrucksvoll aus der Menge hervor. Dass es überhaupt noch unrestaurierte Fahrzeuge in diesem Zustand gibt, ist sicher die Ausnahme, darf aber als weiteres Indiz für die sprichwörtliche Haltbarkeit herhalten.

Im Alter ruhelos
Ein großer Teil seiner Popularität ist auf die außergewöhnliche Entstehungsgeschichte des Hanomag R 40 zurückzuführen. Als einer der wenigen Traktortypen wurde er nahezu die gesamten Kriegsjahre hindurch produziert. Das verdankt der blaue Riese aus Hannover seinen vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten. Neben der Land- und Forstwirtschaft fanden R 40 im Nahverkehrstransport, auf dem Bau und auch beim Militär ihr Einsatzgebiet. Beliebt war es zudem, einen R 40 nach einigen Jahrzehnten Straßen- und Ackereinsatz mit einem Hecklader auszurüsten. Ortswechsel. Im Grunde ist der R 40 der Döllings aus dem Leben der kleinen Gemeinde Lienen am Rand des Teutoburger Waldes nicht mehr wegzudenken.

Baggern mit dem Hanomag
Die Älteren der knapp 9.000 Einwohner des Dorfes auf dem halben Weg zwischen Münster und Osnabrück werden den blauen Schlepper noch aus dem Straßenbau kennen. Fast ein viertel Jahrhundert gehörte das Fahrzeug zum Bauhof von Lienen und wurde hier von Erich Dölling bedient. Der 82-Jährige erinnert sich gut, was für eine Arbeitserleichterung mit der Anschaffung seinerzeit einherging. Ausgestattet mit einem Atlas Hydrauliklader Typ 512 von 1963, beendete der R 40 die Ära des Handschaufelns bei der Wege-Instandsetzung in Lienen.

Auch auf dem eigenen Nebenerwerbshof konnte Erich Dölling ihn gut brauchen, und mit Genehmigung der Vorgesetzten nahm er ihn manchmal mit. Sohn Rolf Dölling: „Wir hatten eine gemauerte Mistmiete am Stallgebäude, die nicht per Frontlader zugänglich war. Da waren wir auf den Heckgreifer angewiesen, wenn wir den Mist nicht von Hand mit der Schaufel austragen wollten.“

Rettung vor dem Schrottplatz
Vater und Sohn gewöhnten sich so sehr an den Schlepper, dass sie ihn schließlich kauften, als er Anfang der 80er-Jahre ausgemustert und verschrottet werden sollte. Leider gibt es wenig Informationen über die Zeit vor der Kombination mit dem Hecklader. Gebaut wurde der R 40 jedenfalls im Frühjahr 1945, als Deutschland – und nicht zuletzt Hannover – in Schutt und Asche lag. Sein Herstellungsdatum machte den Döllings dann auch indirekt Schwierigkeiten. Die mit Hakenkreuzen versehenen Originalpapiere waren von der Gemeinde Lienen einbehalten und vernichtet worden, weswegen der Schlepper sich einer kompletten Neuabnahme unterziehen musste, als die Döllings ihn auch wieder für die Straße zulassen wollten. Hierfür reiste neben dem obligatorischen TÜV-Mann ein eigens angeforderter Hanomagspezialst ins beschauliche Lienen, und das ganze Fahrzeug wurde neu vermessen.

Rolf Dölling: „Besonders der Hecklader und dessen ausladende Stützen wurden begutachtet.“ Danach wurde der R40 aber dafür auch als – steuersparende – selbstfahrende Arbeitsmaschine klassifiziert. Und als die Landwirtschaft vor Jahren aufgegeben wurde, hieß das nicht, dass der blaue Schlepper arbeitslos aufs Altenteil verschoben wurde. Im Gegenteil, der R 40 musste  mitunter noch mal richtig ran:

Einsatz im Hallenbau
Als Rolf Dölling sich vor einigen Jahren mit einer kleinen Maschinenbaufirma selbstständig machte, wurde die erforderliche Werkhalle in Eigenarbeit aufgebaut – und der Hanomag war das Hauptarbeitsgerät. „Mit dem Hecklader haben wir für die Dachkonstruktion bis zu sieben Meter lange 500er-T-Träger gehoben und bewegt. Ohne den Hanomag hätten wir das gar nicht allein hinbekommen,“ so der heute 52-Jährige.

Die jahrzehntelangen Einsätze haben natürlich auch ihre Spuren hinterlassen und so manche Beule trägt der Hanomag heute wie Narben, die von einem intensiven Arbeitsleben berichten. Auch Erich Dölling weiß noch, dass schon vor vielen Jahren im Bauhof hinten neue Kotflügel anmontiert worden sind. Die sind natürlich nicht ganz original. „Da hat man früher eben nicht so drauf geachtet, da zählte halt nur die Gebrauchstauglichkeit.

Seiten

Alle Fotos: Bodo Wistinghausen
Weitere Themen aus dieser Rubrik

Braunes Ackergold

Alte Landtechnik im praktischen Einsatz, das lässt das Herz eines Traktor-Enthusiasten höher schlagen! Diesmal sind wir bei einer typischen Frühjahrsarbeit des Bauern... mehr >

Star der ersten Stunde

Ein Allgaier System Porsche AP 17 ist ja an sich schon etwas Besonderes. Dieses Exemplar jedoch trägt ein zusätzliches Sahnehäubchen: Es lief am ersten Tag der... mehr >

Schön, blau und stark

Ein Vierzylindermotor eigener Konstruktion und der ZF-Getriebebaukasten machten es möglich: Anfang 1964 krönte der 60 PS starke EA 600 – besser bekannt als „Mammut... mehr >

Mehr zum Thema