Schön, blau und stark

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Die Konkurrenz schläft kurzzeitig
60 PS boten nach wie vor Deutz und Hanomag, aber nur in Form der altmodischen Typen F4L 514 und R 460. Moderner mutete daneben der John Deere 3010 an, der mit stolzen 67 PS daherkam, aber – die amerikanischen Gene lassen grüßen – ebenfalls auf Allradantrieb verzichten musste. An das technische Niveau des Mammut Allrad reichten am ehesten die wenige Monate zuvor präsentierten Flaggschiffe von Güldner und Schlüter heran.

G 50 A und S 650 V kamen ebenfalls in den Genuss des – hier sogar jeweils per Lenkradschaltung bedienten – ZF-Getriebes A-216 II und der Vorderachse GLA-2550, doch leisteten ihre Motoren maximal 48 respektive 56 PS. In diesem Reigen hätte der Deutz D 50.1 S mit 52 PS und identischem Getriebe mitspielen können, hätte sich der damalige Marktführer nur die Mühe gemacht, die angetriebene Vorderachse zu adaptieren.

Ein ähnliches Bild ergab sich bei Fendt: Der gleich starke Favorit 3 war mit seinem fein abgestuften 16/4-Gang-Getriebe ein ernstzunehmender Konkurrent – aber erst ab 1966 mit Allradantrieb erhältlich. 

Moderne Zeiten
Die Ausstattung des Mammut II Allrad ließ für damalige Verhältnisse kaum Wünsche offen. Neben bereits erwähnten Details wie dem Leichtschaltgetriebe und der leistungsfähigen Regelhydraulik sorgte die sogenannte ZF-Hydroblocklenkung beim Bedienpersonal für zufriedene ­Gesichter.

Diese Lenkhilfe erleichterte das Manövrieren des Großschleppers trotz der schon im Leerzustand mit 1,2 Tonnen belasteten Vorderachse und der breiten Reifen erheblich. Besonders erstrebenswert erschien sie in Verbindung mit einem Frontlader, der zusätzliche Last auf die Achse brachte und dessen Handhabung häufige Lenkvorgänge bei geringer Geschwindigkeit erforderte.

Über ein solches, von der Firma Baas zugeliefertes Ladewerkzeug verfügt unser Fotoexemplar. Besonders stolz ist Eigner Daniel Freitag dabei auf den original erhaltenen Frontschutz, der sich zum Öffnen der Motorhaube nach vorne klappen lässt. Daniel hat den Schlepper vor fünf Jahren liebevoll restauriert und erlaubt ihm dennoch, sich nach Herzenslust in seinem ureigenen Betätigungsfeld auszutoben.

Der gelernte Industriemechaniker und heutige Industriemeister führt in Guxhagen bei Kassel die elterliche Landwirtschaft im Nebenerwerb fort und setzt seine Maschinen zudem überbetrieblich ein. Dabei baut er nicht ohne berechtigten Stolz auf einen lupenreinen Fuhrpark.

Das eine Extrem bildet dabei der 1958 vom Vater angeschaffte, noch heute im Familienbesitz befindliche ED 110/II, das andere Extrem das ultimative Eicher-Flaggschiff, ein 1983 in Landau/Isar fertiggestellter 3145 mit aufgeladenem, 145 PS starkem Sechszylindermotor. Angesichts dieser Auswahl versteht es sich, dass der EA 600 nicht im harten Einsatz aufgerieben wird.

Ein paar Gebrauchsspuren trägt er gelegentlich davon, doch seiner Technik hat das Arbeitsleben bislang nicht geschadet. Dabei weiß Daniel, welche Baugruppen er besonders in Schutz zu nehmen hat. 

Schützenswerte Teile
Die angetriebene Vorderachse GLA-2550 ist längst nur noch gebraucht erhältlich und genießt darüber hinaus den Status eines Sammlerstückes. Einerseits war Allradantrieb in den 1960er-Jahren ein eher selten geordertes Ausstattungsmerkmal, andererseits befinden sich die meisten damit ausgerüsteten Schlepper dieser Ära heute in pflegenden Händen.

Ein anderer Schwachpunkt sind – in puncto Ersatzbeschaffung – die schwungvoll gestalteten Blechteile, die dem Schlepper seine ureigene Eleganz verleihen. Kotflügel werden zwar nachgefertigt, doch weiß Daniel: „Die dafür aufgerufenen Preise lassen den Interessenten schnell über eine Eigeninitiative nachdenken. Mit Hausmitteln ist da angesichts der komplexen Form der Bleche allerdings wenig zu bewerkstelligen.“

Eine weitere Eigenart sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Mit der vielfach gepriesenen Wartungsfreiheit luftgekühlter Motoren ist es nicht ganz so weit her. Dabei ist – abgesehen vom obligatorischen Ölwechsel und der korrekten Funktion des Kühlgebläses – vor allem eines zu beachten: Sauberkeit! Setzen sich die Kühlrippen der Zylinder oder gar der Ansaugbereich des Gebläses mit Schmutz zu, lässt zwangsläufig die Kühlung nach und zieht im ungünstigsten Fall einen Kollaps durch Überhitzung nach sich. 

Überflügelt

In Sachen Motorleistung zeichnete sich kurz nach dem Debüt des Mammut Allrad eine Wachablösung ab. Deutz, Hanomag und Schlüter schickten ihre neuen, 75 bis 80 PS starken Spitzentypen ins Rennen. Auf Allradantrieb mussten deren Kunden noch warten, doch als ab 1966 auch Fendt und Güldner ähnliche Kaliber im Programm führten, stand Eicher endgültig in der zweiten Reihe. Den Anschluss fanden die Forsterner erst 1969 mit ihren 80 und 95 PS starken, kantiger eingekleideten Wotan-Typen wieder. 

Der Abstieg
Zu alter Blüte fanden sie nie zurück. 1969 konnten sie in Deutschland nur noch 4.026 Schlepper absetzen, was einem Marktanteil von 5,6 Prozent bzw. dem achten Rang der Statistik gleichkam. Dem unter anderem durch verstärkt auf den Markt drängende Importeure entfachten Konkurrenzkampf hielten auf Dauer fast nur die großen, international stark aufgestellten Unternehmen stand.

Dass Eicher wenig später auch von der Produktionseinstellung der A-200-Getriebe schwer getroffen wurde, steht auf einem weiteren Blatt der Firmenhistorie. Fest steht, dass die rundlichen Raubtiere der ersten Generation noch heute sinnbildlich für die goldenen Jahre des Unternehmens stehen. Die Krone trägt dabei unweigerlich der allradgetriebene Mammut, der unter seiner eleganten Schale mit handfesten inneren Werten überzeugt – und in der heutigen Sammlerszene nicht ohne Grund höchstes Ansehen genießt.

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Schön, blau und stark - Text und Fotos: Klaus Tietgens
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