Schön, blau und stark

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Die Motoren
Nach Kriegsende setzten Albert und Josef Eicher ihre Ideen in die Tat um: Sie bauten ihren eigenen luftgekühlten Dieselmotor. Die Vorteile der Luftkühlung lagen auf der Hand. Der Entfall eines Flüssigkeitshaushaltes mit potentiellen Störquellen wie Undichtigkeiten, Ausfall der Wasserpumpe oder gar Einfrieren brachte eine erhebliche Vereinfachung mit sich und sparte Bauraum.

Außerdem kam der luftgekühlte Motor gegenüber damals üblichen Wasserumlaufkühlungen ohne Thermostat schneller auf Betriebstemperatur, was Verschleiß und Kraftstoffverbrauch minderte. Dennoch wollte die Auslegung der Luftkühlung wohl bedacht sein, und viele Konstrukteure zahlten dabei Lehrgeld. 

Sparsam und robust
Die Gebrüder Eicher setzten von Anfang an auf das richtige Pferd. Sie ließen ihren mit 1,4 Litern Hubraum recht großvolumigen Einzylinder mit geruhsamen 1.500 U/min laufen und installierten zwecks effizienter Kühlung ein Radialgebläse direkt am Zylinder. Leichtbau war angesichts des vorgesehenen Einsatzes in Ackerschleppern kein Kriterium.

Robuste Konstruktion, niedrige Drehzahl und großer Hubraum erlaubten zudem die Verwirklichung der Direkteinspritzung, an der  noch viele Hersteller scheiterten. Das Ergebnis: Eicher bot ab 1948 einen zuverlässigen und zugleich einen der sparsamsten Schleppermotoren auf dem Markt an.

Die Typenvielfalt

Zunächst zaghaft, ab 1950 jedoch mit immer größeren Schritten setzte der von diesem Motor angetriebene Eicher ED 16 zu seinem Siegeszug an. Flankiert wurde dieser Erfolg von einem großzügigen Ausbau der Modellpalette. Ab 1954 deckte diese den Bereich von 11 bis 60 PS ab und war damit so umfangreich wie bei kaum einem anderen Hersteller.

Dafür griff man allerdings weitgehend auf zugelieferte Motoren zurück. Die eigene Fertigung verharrte zunächst beim Einzylinder, das verdiente Geld wurde also nicht übereilt in der Konstruktionsabteilung versenkt.

Stunde der Motorenbauer
Erst in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre kam Bewegung in die Sache. Zum einzylindrigen ED 1 gesellten sich 1956 der zweizylindrige ED 2 und 1957 der dreizylindrige ED 3. Fortan konnten alle Schlepper von 13 bis 60 PS mit Motoren eigener Konstruktion ausgerüstet werden. Damit nicht genug: Bereits Ende 1958 zogen die ersten Versuchsfahrzeuge mit Zweizylindermotoren der neuen EDK-Generation ihre Bahnen. 

Die neuen Antriebe übernahmen wesentliche Grundcharakteristika von ihren Urahnen der ED-Serie. Auch sie verfügten über Gehäuse in Tunnelbauweise ohne separate Ölwanne, arbeiteten mit Direkteinspritzung und zwecks möglichst gleichmäßiger Kühlung mit einzelnen Radialgebläsen an jedem Zylinder.

Allerdings steigerte Eicher die Nenndrehzahl auf 2.000 U/min und verkleinerte dafür die Zylindereinheiten, um die Massenkräfte im Zaum zu halten. Als erste Schlepper mit EDK-Motoren gingen 1959 die Typen Panther und Tiger in Serie und begründeten damit die legendäre „Raubtierserie“.

Bis zum Ende des Jahres wurde das Angebot durch den einzylindrigen Leopard und den dreizylindrigen Königstiger ergänzt. Oberhalb dieses von 15 bis 35 PS reichenden Programms rangierten zunächst noch die Typen ED 215/16, ED 50 und ED 60 mit Zwei- und Dreizylindermotoren der alten Generation und Leistungen von 42 bis 60 PS.

Geburt eines Mammut
Ein im September 1959 herausgegebener Prospekt kündigte aber auch in diesem Bereich eine Neuerung an. Er zeigte einen 45-PS-Schlepper mit dem Namen „Mammut“, der zwar kein Raubtier kennzeichnete, aber doch in die Welt passte. Er suggerierte unbändige Kraft und umschrieb die Charakteristik des Schleppers zugleich ziemlich exakt.

Anders als in den kleineren Raubtieren gelangte im Mammut nämlich noch kein vergleichsweise quirliger Schnellläufer der EDK-Serie zum Einsatz, sondern ein Dreizylindermotor der altbekannten ED-Baureihe. Dieser ED 3 b unterschied sich vom in den Typen ED 50 und ED 60 verwendeten ED 3 durch die von 115 auf 110 mm reduzierte Bohrung.

Alte Technik in neuem Kleid
Die kleinere Bohrung galt thermisch als unproblematischer, denn mit nur 4,3 Prozent weniger Oberfläche waren 8,5 Prozent weniger Volumen zu kühlen als in der 115-mm-Variante. Zur Erzielung von 45 PS aus drei Zylindern war der daraus resultierende Hubraum von 4,3 Litern zudem vollkommen ausreichend.

Gegenüber dem im nunmehr abgelösten ED 215/16 eingesetzten, fast gleich starken Zweizylinder ergab sich darüber hinaus der Vorteil einer überlegenen Laufkultur. Die drei Zylinder zünden in gleichmäßigen Abständen, und auch der Massenausgleich ist deutlich günstiger als im Zweizylinder, dessen gegenläufige Kolben für Kippmomente und ungleichmäßige Zündabstände – im Wechsel 180 Grad und 540 Grad – sorgen. 

Moderne Kraftübertragung
Käuflich erwerben konnten die Kunden den mit der technischen Bezeichnung „ED 310“ versehenen Eicher Mammut erst ab 1960, als die Serienfertigung des darin verwendeten ZF-Getriebes A-216 anlief. Dieses war damals das stärkste Mitglied der in den Raubtieren ab 25 PS verwendeten A-200-Familie.

Charakteristisch für diese damals hochmodernen Kraftübertragungen war die Bolzenschaltung der jeweils vier Gänge, welche die Bedienung gegenüber der herkömmlichen Verschiebung ganzer Zahnräder erheblich erleichterte. Dazu gesellte sich die Aufteilung in drei Gruppen, woraus insgesamt acht Vorwärts- und vier Rückwärtsgänge resultierten.

Die Zapfwelle war mit zwei Drehzahlen nicht nur für die 540-U/min-Norm, sondern auch für die in der Planung befindlichen 1.000-U/min-Geräte ausgelegt. Mittels Hohlwelle und Doppelkupplung ließ sie sich auf Wunsch unabhängig vom Fahrantrieb schalten – wichtig für den Betrieb schwerer Arbeitsgeräte wie Pressen oder angehängter Mähdrescher.

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Schön, blau und stark - Text und Fotos: Klaus Tietgens
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