Hoffnungsträger

Er war einer der letzten und kultiviertesten Lanz-Schlepper: der „Volldiesel“-Bulldog
D 1616, dessen Motor die finale Entwicklungsstufe des Lanz-Zweitakt-Prinzips darstellte und mit erstaunlicher Laufruhe glänzte. Von Bodo Wistinghausen

 
Als Lanz Mitte der 50er-Jahre seine Volldiesel-Reihe auf den Markt brachte, befand sich der einstmals größte Landmaschinenhersteller Europas in einem hart umkämpften Markt. Die Unbilden des Zweiten Weltkriegs hatten 90 Prozent der Werksanlagen zerstört. Dieses Schicksal teilten sich die Bulldog-Macher aber mit den meisten deutschen Wettbewerbern. Bei den Mannheimern kam die Modernisierung aus einem weiteren Grund nur in zaghaften Schritten voran: Der Glühkopf-Motor war einfach zu erfolgreich gewesen. Man verlegte sich auf die behutsame Weiterentwicklung des einzylindrigen Glühkopf-Motors, der nach dem Krieg gegenüber den immer besser werdenden Dieselmotoren der Konkurrenz zu veralten drohte.
Vorbei waren die Zeiten, in denen das respektheischende Wummern der mächtigen Glühkopf-Bulldogs das Bild der Mechanisierung der deutschen Landwirtschaft bestimmte. Die großen Absatzzahlen und Gewinne wurden jetzt im Kleinschleppersegment eingefahren. Hier waren einfach zu bedienende  Maschinen gefragt, die auch von den Bauersfrauen gefahren werden konnten, auf denen schließlich ein großer Teil der Aufbauarbeit lastete. Also konzentrierte sich auch Lanz, wenngleich spät, auf diesen Bereich. Im Frühjahr 1955 präsentierte man mit dem D 1616 den bisher kleinsten Schlepper im eigenen Nachkriegsprogramm. Er ersetzte den Halbdiesel D 1706. 

Wiederentdeckung
Heinz Peirick aus Coesfeld-Lette erinnert sich noch gut daran. Seit dem er 10 Jahre alt war, half er im Sommer beim Nachbarn auf dem Feld aus und machte den Wechsel zwischen genau diesen beiden Modellen selbst mit. In einer Zeit, in der die meisten Bauern ihre Arbeiten noch per Pferd verrichteten, war ein Lanz Bulldog nach wie vor etwas Besonderes. Er wurde vom Nachbarn auch im Lohnbetrieb eingesetzt – oft mit Heinz Peirick am Steuer. Viele Jahre später fand Peirick seinen alten Bulldog wieder, verlassen in einer Scheune. Im Jahr 1991 erwarb er ihn schließlich und restaurierte ihn. Häufiger als bei anderen Marken haben die Besitzer von Lanz-Schleppern eigene Erinnerungen an den jeweiligen Typ oder sogar persönliche Beziehungen zu genau dem Fahrzeug. Peirick hat sogar noch die Originalunterlagen, aus denen Kaufpreis und Ausstattungsdetails hervorgehen.
Der D 1616 war der erste sogenannte Volldiesel-Bulldog. Die Volldiesel folgten auf die erst zweieinhalb Jahre zuvor – Ende 1952 – eingeführten Halbdieselmodelle, deren liegende Einzylindermotoren höher verdichteten und erstmals den charakteristischen Glühkopf bzw. Zündsack überflüssig machten (siehe TC 1/2010, Seite 20 ff). Die Volldiesel-Motoren, zwar immer noch liegende Einzylinder, waren dann endlich mit einer Glühkerze ausgestattet und kamen daher ohne den umständlichen Benzin-Start aus, der noch das Charakteristikum der Halbdiesel gewesen war. Immer noch befand sich an der Seite des Motors ein kleiner Trichter, durch den zündfähige Flüssigkeiten für den Kaltstart zugeführt werden konnte. Heute ist die Einrichtung aber überflüssig, denn auch beim Lanz lässt sich Motorstartspray (Startpilot) anwenden.

Seiten

Lanz D 1616
Weitere Themen aus dieser Rubrik

Braunes Ackergold

Alte Landtechnik im praktischen Einsatz, das lässt das Herz eines Traktor-Enthusiasten höher schlagen! Diesmal sind wir bei einer typischen Frühjahrsarbeit des Bauern... mehr >

Star der ersten Stunde

Ein Allgaier System Porsche AP 17 ist ja an sich schon etwas Besonderes. Dieses Exemplar jedoch trägt ein zusätzliches Sahnehäubchen: Es lief am ersten Tag der... mehr >

Schön, blau und stark

Ein Vierzylindermotor eigener Konstruktion und der ZF-Getriebebaukasten machten es möglich: Anfang 1964 krönte der 60 PS starke EA 600 – besser bekannt als „Mammut... mehr >

Mehr zum Thema