Der kleine Riese

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Erfahrungsgemäß ließen sich die kleinen Bosch-Pumpen aber meist aufarbeiten. Beim Kauf des F 12 hatte das Lenkrad einen Freilauf von 90 Grad. Für das Überholen der Lenkung musste zunächst der Tank runter. Der war sowieso verschlammt und wurde ausgeblasen und gereinigt.
Ein Fachbetrieb im Nachbarort erneuerte den Lenkfinger und die Spindellagerung. Danach ließ sich das Lenkrad wieder leichtgängig drehen, das Lenkspiel war auf ein vertretbares Maß reduziert. So weit, dass der TÜV den Schlepper nach Abschluss der Restaurierung anstandslos abnahm.

Problem: Die Schneckenwelle
Mit der Lenkspindel kann es Probleme geben. Finger und Spindel sind filigrane Teile und unterliegen Umständen hohem Verschleiß. Es beginnt am Finger, der dann die  Spindel in Mitleidenschaft zieht: Der abgenutzte Finger strapaziert die Spindel. Dadurch entsteht das Spiel in der Lenkung. Thomas Bracht: „Zwei Handbreit deuten auf Großschäden hin!“ Der Inhaber einer Landmaschinenfachwerkstatt empfiehlt sogar, keine F 12 mit kaputter Lenkspindel zu kaufen.

Denn bei der Schneckenwelle gäbe es keine Reparaturmöglichkeiten. In seinem Betrieb in Stötten am Auerberg habe er alle Lenkungsteile auf Lager, mit einer Ausnahme: Spindeln. Im Durchschnitt werde ihm nur einmal im Jahr eine gebrauchte, intakte Lenkung angeboten. Bernd Langheinrich hat Glück gehabt. Bei ihm scheint es nicht allein die Spindelwelle zu sein. Sollte es dennoch auf diese Ursache hinauslaufen, gibt es einen ­Hoffnungsschimmer. Der Kirchberger ermittelte einen Betrieb für Einzelanfertigungen in Niedersachsen. Firmenchef Reinhard Teich: „Was nicht lieferbar ist, kriege ich hin!“ Kostenbestimmungen auf der Grundlage von Telefonaten wären zwar schwierig, ­dennoch ließe sich vieles schon fernmündlich eingrenzen.

Er besorge dann auch Musterteile: „Da mache ich mir keine Kopfschmerzen, in meiner Branche muss ich findig sein!“ Für den F 12 hat er noch einen Tipp: Den Zylinderkopf zwischen den Ventilsitzen genau zu inspizieren. Wenn er aufreiße, dann meistens dort.

Außergewöhnliche Schaltkulisse
Am Fendt-Getriebe brauchte Bernd Langheinrich nichts zu machen. Das Getriebe sei auf die Motorleistung gut abgestimmt, sagt Thomas Bracht. Das Schaltwerk ist in zwei Gruppen unterteilt, jeweils mit drei Vorwärtsgängen und einem Rückwärtsgang. Fendt nummerierte die Vorwärtsgänge von eins bis sechs. Der erste Gang reicht bis 1,8 Kilometer pro Stunde. Fendt bezeichnete ihn als Kriechgang. Zur Zugkrafterhöhung darf er nicht eingesetzt werden. Drei weitere, voll belastbare Schleichgänge (0,7 bis 2 Kilometer pro Stunde) gab es als zusätzliche Gruppe auf Wunsch ab 1958. Die Gruppen und Gänge werden mit ein und demselben Hebel bedient. „Ein Puzzle-Werk“, wie Bernd Langheinrich das Einfädeln der Gänge am Anfang empfand. Als er die Schaltebenen ertastete, kamen ihm Zweifel an der Eignung als „Frauen- und Kinderschlepper“ – wie ihn Fendt in der damaligen Werbung ausdrücklich bezeichnete. Doch Langheinrich wurde mit der Schaltkulisse schnell vertraut – genau so, wie es vor 50 Jahren den Fahrerinnen und Fahrern gegangen sein muss.

„Bei einer Probefahrt sollten sich die Gänge sauber durchschalten lassen“, erklärt Thomas Bracht. Gerieten die Gangwechsel zum hakeligen Rühren mit dem Schalthebel, dürfe der Kaufinteressent eine eingelaufene Schaltkulisse oder gebrochene Kulissenfedern vermuten. Wenn Gänge rausfliegen, wären wahrscheinlich Druckfeder oder Schaltstangen gebrochen. Die Ursache sei üblicherweise die überzogene Schwerarbeit dieses Schleppers gewesen. Oder der rücksichtslose Einsatz der Differentialsperre. Die dürfe nur behutsam bei verhaltener Fahrweise eingelegt werden. Einen Grund, vom Kauf des Schleppers Abstand zu nehmen, sehe er darin aber nicht: „Im Kaufpreis sollte das berücksichtigt werden!“
Immerhin muss das Geld für Ersatzteile ausgegeben werden. Thomas Bracht: „90 Prozent aller Teile sind verfügbar.“ Meistens als neuwer­tige Nachfertigungen oder als regenerierte ­Gebrauchtteile. Bevor Bernd ­Lang-heinrichs F 12 HL endgültig betriebsbereit ist, kümmert sich sein Besitzer um die Schmiernippel.

Schmiernippel und Hauptschalter
Etwa die Hälfte lässt sich nicht mehr gangbar machen. Die Rückschlagkugeln auf ihren Federn sind so verharzt, dass er sie wegschmeißen muss. Die anderen macht er mit einem Stichel aus dem Schuhmacherbedarf gangbar.

Aus Sicherheitsgründen appliziert Bernd Langheinrich einen Hauptschalter: „Im Original hat den der F 12 natürlich nicht gehabt. Aber es ist besser so.“ Der Elektriker habe ihm das empfohlen. Wenn sich eine Kokelei ankündigt, ist nach dem Drücken des Schalters die gesamte Elektrik unterbrochen. Auch beim Laden der Batterie brauche er die Polklemmen nicht mehr abzunehmen. Keine Illusionen darf man sich über den Einsatz eines F 12 HL in der Gegenwart machen. Zum Holz holen ist er geeignet. Auch zum Mähen – Mähwerk natürlich vorausgesetzt. Vor allem ist er für das Hobby da, für die Leidenschaft zu alten Traktoren. Bernd Langheinrich drückt es so aus: „Zur Freude bei kleinen Transportaufgaben mit diesem technischen Kulturgut.“ Sein erster Schlepper. Ohne Metallberuf.

Ermutigend für jeden Einsteiger. Sabine Langheinrich über ihren Ehemann: „Alles, was einen Motor hat, bringt er zum Laufen!“ Ein hübsches Lob. Zum Nachmachen empfohlen.
Peter Böhlke

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Der F 12 in den 50er-Jahren
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