Dauerbrenner

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Genuss und Reue
Für folgende Evolutionsstufen des Schlüter-Sechszylinders gilt: Je mehr Leistung man ihm abverlangt, umso kapriziöser gebärdet er sich tendenziell. Im 1972 nachgereichten Super 1250 VL trat er – wie ab Ende 1973 auch im Super 1250 V – wieder mit mittigen Brennräumen an und leistete wie schon zuvor im Export weitgehend unbedenkliche 125 PS bei 2.000 Umdrehungen pro Minute. Die im ab 1981 angebotenen Super 1250 VL Special auf 112 Millimeter erweiterte Bohrung kann hingegen thermische Probleme nach sich ziehen. Insbesondere gilt das im Schwestermodell Super 1500 TVL Special, in dem ein Turbolader die Leistung bis auf 165 PS steigert, ohne dass der Hersteller flankierende Massnahmen in Form einer Kolbenbodenkühlung ergriffen hätte.
Die ab 1982 in den 1800er- und 1900er-Typen verbaute Version mit Ladeluftkühlung und zunächst 170, dann 180 und ab 1986 gar 185 PS gilt schließlich nicht nur wegen des sich unter der knapp geschnittenen Motorhaube rapide aufheizenden Kühlerpaketes als Pflegefall – und lässt die 1250er heute als guten Kompromiss aus Leistung und Lebensdauer erscheinen.

Kraftübertragung
Einen Kompromiss musste Schlüter auch auf dem Gebiet der Kraftübertragung eingehen. Einerseits bauten die Super-Typen ab 75 PS auf der damals hochmodernen ZF-Baureihe T-300 II mit Synchronisierung für Gruppen- und Wendeschaltung sowie die oberen vier von insgesamt sechs Gängen auf. So standen insgesamt 12 Vorwärts- und 6 Rückwärtsgänge, mit Kriechgruppe gar 16/8 Gänge zur Verfügung.
Andererseits war das aus dem Super 950 bekannte, für maximal 95 PS ausgelegte T-330 II auch beim Debüt des 1250ers noch das stärkste serienmäßige ZF-Getriebe und wurde den gestiegenen Belastungen lediglich mit stärkeren Achswellen angepasst. Ab 1969 wurde wahlweise das in ­Details verfeinerte, von außen an den hervorstehenden Radnaben zu erkennende ­T-335 II verbaut. Mit den 110 beziehungsweise 115 PS des Super
1250 V war jedoch auch dieses an seiner Belastungsgrenze angelangt. Entsprechende Vorsicht ist beim Erwerb eines gebrauchten Schlüters geboten, sofern dieser nicht jüngst eine umfassende Getrieberevision über sich ergehen lassen hat. Ab 1972 trugen die weitgehend unveränderten Getriebe vierstellige Bezeichnungen – das T-330 II hieß bei Schlüter fortan T-3303, das T-335 II zunächst T-3308 und dann T-3315. Sie wurden unter anderen auch von Deutz, Eicher, Fendt und Steyr verwendet und brachten es zusammen auf eine Produktionszahl von mehr als 33.000 Exemplaren. Das spricht für eine einigermaßen gesicherte Ersatzteilversorgung, zumal manches auch noch neu von ZF erhältlich ist.
Schwieriger wird es hingegen bei der an den gegenläufig zu den Rädern rotierenden Kreuzgelenken zu erkennenden ZF-Vorderachse APL-3050, die von 1966 bis 1974 nur in knapp 13.000 Einheiten gebaut wurde und im Super 1250 V ebenfalls eine ihrer schwereren Aufgaben zu bewältigen hat. Teile sind rar und werden von ZF nicht mehr bevorratet.

Auf Achse
Nur drei Exemplare des 1250ers wurden übrigens mit Hinterradantrieb verkauft und von Februar 1969 bis März 1970 nach Italien geliefert. Die Achsen waren damals übrigens wie das Getriebe und der ebenfalls von ZF stammende Kraftheber KR 25 mit einer maximalen Hubkraft von 3,2 Tonnen aus dem kleineren 950er bekannt. Mit zwei zusätzlichen Hydraulikzylindern von jeweils 40 Millimetern Durchmesser stieg die Hubkraft im Heck auf 4,5 Tonnen. In dieser Konfiguration hob die anfangs serienmäßige Hydraulikpumpe mit einer Förderleistung von 26 Litern pro Minute das Anbaugerät allzu langsam aus. Daher und im Hinblick auf externe Verbraucher verbaute Schlüter ab 1971 eine 32-Liter-Pumpe, die nicht mehr per Keilriemen, sondern von der Kurbelwelle des Motors aus mittels Gelenkwelle angetrieben wurde.

Grenzen eines Konzepts
Die weitere Evolution des 1250ers verlief ähnlich der des legendären VW Käfer: Fast jedes Bauteil erfuhr im Verlauf der Produktionszeit eine Änderung, doch das Grundkonzept blieb gleich. Die Kabine gewann sukzessive an Raum- und Geräuschkomfort, verfügte ab 1976 über einen ebenen Boden sowie Seitenschaltung und ließ sich ab diesem Zeitpunkt zur Erleichterung von Wartungsarbeiten kippen. Gleichzeitig räumte die Lenkhilfe das Feld für eine hydrostatische Lenkung ohne mechanische Übertragungselemente. Akustisch vorteilhaft war auch das ab April/Mai 1979 verbaute Getriebe T-3345 mit schräg verzahnten Zahnrädern.
Neue Vorderachsen hielten höheren Belastungen stand und erlaubten ab 1984 Lenkeinschläge bis 50 statt zuvor 40 Grad, der Rumpf nahm nun Einhängegewichte auf und die mittlerweile mit 50 l/min Förderleistung operierende Hydraulikpumpe wurde über Zahnräder angetrieben. Ab Juni 1986 war die 50 Kilometer pro Stunde schnelle „High-Speed“-Version verfügbar, und im Frühjahr 1988 ergänzte eine einfache zweistufige Lastschaltung mit Freilauf das Angebot. Mit optionaler elektronischer Hubwerksregelung sowie ab 1990 mit einheitlich auf 2.810 Millimeter verlängertem Radstand und weit heruntergezogenen Kotflügeln ging der 1250er in die letzte Runde – und konnte sein Alter ähnlich dem VW Käfer längst nicht mehr verheimlichen.
Entscheidender Unterschied zum automobilen Krabbeltier: Auf das Ende des 1250ers folgte bald auch das Ende seiner traditionsreichen Produktionsstätte in Freising. Bis dahin waren knapp 2.600 Exemplare aller Ausbaustufen entstanden – genug, um den Super 1250 zu einer weithin anerkannten und beliebten Größe gedeihen zu lassen.
Von Klaus Tietgens

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Fotos: K. Tietgens
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