Dauerbrenner

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Rund ist die vollkommene Form
Endlich fand Michael in Schleswig-Holstein ein grundsätzlich passendes Stück: einen Super 1250 V, gebaut Anfang 1972. Diese Information lässt aufmerksame Leser der vorigen Zeilen und Kenner der Materie aufhorchen. Ab 1970 schrieb die Berufsgenossenschaft hierzulande Umsturzbügel vor, und etwa ab diesem Zeitpunkt stattete Schlüter seine Schlepper mit eckigen Kotflügeln aus – die zugleich den Aufbau der optionalen, sich steigender Nachfrage erfreuenden Traktomobil-Kabine erleichterten. Eben dieses optisch markante, aber enge und abgesehen vom Wetterschutz wenig komfortable Fahrerhaus mit den charakteristischen Schiebetüren zierte auch Michaels Objekt der ­Begierde. Dennoch griff er ob des akzeptablen Verhältnisses zwischen Preis und Zustand zu. Der Super 1250 V zählt nämlich zu den Schlütern, die bereits vor 1970 und daher auch mit runden Kotflügeln verkauft wurden. Abgesehen vom mächtigen, in nur zwei Exemplaren ausgelieferten Super 1500 V mit Achtzylindermotor war er sogar der größte deutsche Schlepper jener Ära.

Hochzeitskutsche
Michaels erste Amtshandlungen nach der Anlieferung des Schleppers waren daher absehbar: Er demontierte die Kabine und bestellte bei einem in der Szene bekannten Metallbaubetrieb ein Paar runde Hinterradkotflügel sowie ein Paar der an
seinem Exemplar fehlenden Vorderradkotflügel. Die Restaurierung sollte im Winter 2006/2007 beginnen, mußte aufgrund eines Getriebeschadens am Compact 1250 TV6 jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben werden – zumindest großenteils, denn während sie auf Ersatzteile für den Compact warteten, konnten Michael und Schlüter-Freund Hendrik Kauenhowen ihr Augenmerk dann doch dem Super widmen. Der Compact machte sich in der nächsten Lesesaison wieder vor dem Traubenwagen nützlich, mit der Fertigstellung des Super hatte Michael es hingegen nicht ganz so eilig. Bald jedoch konkretisierte sich ein Terminplan: Im Juni 2009 planten Michael und seine langjährige Lebensgefährtin Steffi, den Bund der Ehe einzugehen. So etwas will bekanntlich gebührend gefeiert werden, und ein standesgemäßer Schlüter-Konvoi sollte dabei nicht fehlen.

Persönliche Note
In technisch und optisch einwandfreiem Zustand präsentierte sich der Super den Hochzeitsgästen – und zeigte erst bei näherem Hinsehen einen kleinen Makel. An der Motorhaube fehlten die Schriftzüge, und das Blech warf leichte Wellen. Zu stark hatte sich der Zahn der Zeit am formschönen Blechteil zu schaffen gemacht, als dass Michael eine Komplettrestaurierung für lohnend erachtet hätte.
Die vorgenommene optische Auffrischung sollte lediglich die Zeit bis zur Beschaffung einer besser erhaltenen oder gar einer nachgefertigten Haube überbrücken. Damit wäre ein typischer Schwachpunkt der Schlüter-Schlepper genannt: Die Blechteile gelten als recht korrosionsanfällig, und die Formgebung macht einen Neuaufbau zu einem aufwändigen Unterfangen. Ersatz ist zumindest für die frühen Super-Typen derzeit jedoch nur auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich. Unterhaltsamer Nebeneffekt der Übergangslösung: Die Hochzeitsgäste durften ihrer künstlerischen Ader freien Lauf lassen und das rote Blech nach Herzenslust signieren – ein schönes Andenken, das dem Schlepper zugleich eine persönliche Note verleiht.

Evolution der Schlüter-Motoren
Besonderes Augenmerk sollte man bei der Beschaffung eines Schlüter-Schleppers auch auf den Motor richten. Der im Super 1250 V eingesetzte Sechszylinder geht konstruktiv auf die SDW-Baureihe zurück, die im August 1962 zunächst mit drei Zylindern das Licht der Welt erblickte. Ende 1963 folgte der Vierzylinder, im April 1964 der Sechszylinder SD 105 W 6, der mit 80 PS bei 1.800 Umdrehungen pro Minute das neue Flaggschiff S 900 sowie dessen allradgetriebenes Pendant S 900 V (für „Vierradantrieb“) befeuerte – die seinerzeit stärksten Schlepper aus deutscher (Serien-)Produktion. Diesen Titel hielt auch das im September 1966 vorgestellte Flaggschiff der neuen Super-Baureihe inne, der Super 900 V mit dem auf 7.127 Kubikzentimeter Hubraum vergrößerten SD 110 W 6, der zunächst 90 und ab Ende des Jahres 95 PS bei 1.800 Umdrehungen pro Minute bereitstellte. Ende 1967 wurde die Verkaufsbezeichnung des technisch unveränderten Schleppers auf Super
950 V geändert, und auf dieser Basis entstand im November 1968 der Super
1250 V, der mit 110 PS die sich langsam der 100-PS-Marke nähernde einheimische Konkurrenz auf Distanz hielt. Die Leistungssteigerung um 15 PS entsprang einer umfassenden Überarbeitung des Motors zum neuen Typ SDM 110 W 6. Bohrung und Hub blieben mit 110 (daher die Modellbezeichnung) beziehungsweise 125 Millimetern gegenüber dem Vorgänger unverändert, doch ersetzten Mehrloch-Einspritzdüsen mit einem Einspritzdruck von 200 bar die mit 140 bar operierenden Zapfendüsen, und die Brennräume waren nunmehr außermittig in den Kolben angeordnet. Den höheren Belastungen begegnete man mit Kurbelwellenlagern von
80 Millimetern und Pleuellagern von 75 Millimetern Durchmesser anstelle der bisherigen 70-Millimeter-Lager. In dieser Form galt der Motor des 1250 V auch mit der im September 1970 auf 115 PS gesteigerten Leistung als weitgehend standfest. Ein neuer Satz Kolben und Buchsen ist kaum früher fällig als bei anderen Motoren jener Ära – und kaum schwerer, wenn auch tendenziell teurer zu beschaffen.

Der Schwingungsdämpfer

Dramatischere Folgen kann hingegen ein vernachlässigter Schwingungsdämpfer nach sich ziehen. Dieser ist am vorderen Ende der Kurbelwelle außerhalb des Motorblocks montiert und besteht aus zwei mittels einer Gummierung miteinander verbundenen Stahlscheiben. Kleinere Risse in dieser Gummierung gelten als unbedenklich, verbinden diese sich jedoch zu einem durchgehenden, in Umfangsrichtung verlaufenden Riss, erscheint der Einbau eines neuen, mit rund 850 Euro zu Buche schlagenden Schwingungsdämpfers angeraten (s. Bild Seite 16).
Andernfalls drohen ein Bruch der Kurbelwelle und/oder ein zerstörter Hauptlagerbock, in letzterem Fall also ein kapitaler Motorblockschaden. Ersatz ist dann nur aus gebrauchten Motoren zu beschaffen – und die sind selbst bei gut sortierten Teilehändlern schwer aufzutreiben. ­Unschöne Folgen kann auch eine mangelnde Ölversorgung haben. Zeigt die
Antriebskette der Ölpumpe Auflösungserscheinungen, ist sie daher umgehend auszutauschen, wenngleich es sich beim Original um eine Endloskette handelt, der Ersatz hingegen meist über ein Kettenschloß und damit eine „Sollbruchstelle“ verfügt.

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Fotos: K. Tietgens
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