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Bremstechnik des G 75 A
Die Betriebsbremse funktioniert hydraulisch, die Feststellbremse mechanisch. Beide wirken auf Innenbackenbremsen auf den Seitenwellen des Hinterachs­antriebs. Auch die Einzelradbremse ist re­volutionär: Mit dem Hebel des Lenkbremsventils wählt der Fahrer das zu bremsende Rad. Beim Treten des Bremspedals wird hydraulisch der Bremsdruck für das vorgewählte Rad ausgelöst.
Ergo: Der G 75 kommt mit nur einem Bremspedal aus. Karl-Friedrichs G 75 A ist mit einer Heizung ausgestattet, die ihre Wirkung natürlich erst mit Verdeck voll entfalten kann: Ein Axialgebläse bläst die vom Motor erwärmte Luft auf die Beine des Fahrers. Der 49-Jährige setzt seinen
G 75 A mit Vorderachs- und Hinterachsgewichten ein. Auf den Hanglagen ist der Allradantrieb ein Muss, das Zugpendel beim Pressen eine erhebliche Erleichterung. Der auf Karl-Friedrichs Hof eingestellte G 50 gehört Björn Stuhldreier und Sebastian Bunse. Auch dieser Schlepper ist eine Gemeinschaftsrestaurierung. 1963 war der G 50 das Spitzenmodell der G-Reihe, bevor drei Jahre später der G 75 kam. Bis auf den optionalen Allradantrieb ist der G 50 weitgehend identisch mit dem G 50 Gotland. Werksunterlagen belegen, dass der Motor 4L79 in den ersten G 50 – wie zuvor im Gotland – noch 48 PS leistete, bevor er im Juli 1964 auf 50 PS gesteigert wurde. Durch Kurven lässt sich der hinterachsangetriebene G 50 spielerisch dirigieren, auch bei langsamer Gangart. Das widerstandsfreie Lenken ist den Drucklagern zu verdanken, die F.A.G. Kugelfischer exklusiv für die G-Reihe geliefert hat. Neuralgisch sind lediglich die Lüftungsschlitze auf der linken und rechten Seite der Motorhaube. Unter ihrem Eigengewicht und den Vibrationen des Motors reißen sie an ihren Enden ein. Beim G 60 und G 75 verschließt Güldner die Schlitze, sie dienen nur noch dem einheitlichen Erscheinungsbild der G-Reihe.

Das legendäre Hydrocar
Kurios: Das Fahrzeug, dessen Produktion ab 1970 an die Stelle der Güldner-Schlepper trat, war nur ein Hilfsfahrzeug für den Hausgebrauch im Aschaffenburger Werk. Entwickelt und gebaut, um den Materialtransport in den Montagehallen zu vereinfachen. Güldner verglich die Summe der Schaltvorgänge, die der Fahrer eines Hilfskarrens während einer Schicht zu verrichten hatte mit denen eines Hydrocars. Der motorisierte Hilfskarren kam auf eine vierstellige Zahl. Beim Hydrocar belief sich die Summe aller Schaltvorgänge auf: Null. Das Hydrocar kauften Karl-Friedrich und seine Freunde Ende 2001 bei Ebay. Der Verkäufer hatte den Motorschaden fair beschrieben. Die Kipphebelwellenlagerung war ausgebrochen, wegen fehlender Zähne am Zahnrad. Dadurch stimmte die Steuerung nicht mehr, die Ventile standen auf Auslass, während der Kolben drunter schlug. Björn Stuhldreier, Alfred Bunse und sein Sohn Sebastian  und Karl-Friedrich restaurierten das Hydrocar. „Ein Schnäppchen“, sagt Karl-Friedrich heute über den Kaufpreis.

Summe Schaltvorgänge: Null!
Der Fahrer beschleunigt und bremst das Hydrocar mit zwei gegenläufigen Pedalen. Tritt er das eine Pedal nach unten, schiebt sich das andere Pedal nach oben. Das rechte Pedal steuert die Fahrt vorwärts, das linke Pedal die Geschwindigkeit rückwärts. Nimmt der Fahrer die Füße von den Pedalen, kehren sie in die Neutralstellung zurück. Das Hydrocar bleibt stehen. Tritt der Fahrer während der Fahrt das gegenläufige Pedal, vollführt das Fahrzeug die weltbeste Vollbremsung.
Den Fahr- und Bremsbetrieb erzeugt der Ölantrieb des Hydrocars. Der besteht aus einem geschlossenen Ölkreislauf. Dabei ist dass System so angelegt, dass eine ölfördernde Pumpenwirkung erst dann eintritt, wenn das Pumpengehäuse ausgeschwenkt wird. Den Ausschwenkwinkel und die von den Ölpumpen geförderte Ölmenge reguliert der Fahrer mit den Pedalen. Der Pumpenantrieb erfolgt durch Dieselmotoren unterschiedlicher Leistung aus der Güldner-Produktion. Im Angebot waren die Motorentypen LK mit 6 PS,
2 LKN mit 13 PS und 3LKN/3LKA mit 23 PS. Das kleine Hydrocar des Typs TK hat eine Ladefläche von 2.200 x 1.200 Millimetern. Auf Basis der Hydrocar-Antriebstechnik sind die Gabelstapler von Güldner und Linde entstanden.
Karl-Friedrich Vogel über das Hydrocar in der Landwirtschaft: „Wir setzen unser Hydrocar für die Reparaturen unserer Zäune und Koppeln ein sowie auf unserem Hofgelände und in den Ställen für den Heutransport.“ Für die Instandhaltung des Hydrocars hat sich Sohn Robin (16) verantwortlich gemacht. Das Hydrocar ist im Dauereinsatz, auch durch seine beiden Söhne Robin und Tim.

Wunderbare Zweckentfremdung
Die Feld- und Waldwege im Ländereck Hessen und Nordrhein-Westfalen reichen für tagelange Ausfahrten mit den Schleppern. Als stellvertretender Vorsitzender der örtlichen Jagdgenossenschaft inspiziert Karl-Friedrich die verpachtete Jagd mit seinen Renaults, bei schönem Wetter mit dem G 75. Wir wünschen alles Gute!
Peter Böhlke

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Sammlerportrait Karl-Friedrich Vogel – Güldner und Renault
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